Studien belegen : Neubau hilft nur Wohlhabenden

Von der Neubautätigkeit in der Stadt profitieren nur wohlhabendere Hamburger. Das zeigen Studien, die die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt in Auftrag gegeben hat. Für die Diakonie belegen sie, dass Neubau allein gegen Wohnungslosigkeit nicht hilft.

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Neubau ist wichtig – genügt aber nicht, um Wohnungsnot zu bekämpfen.

In Hamburg wird eifrig gebaut: 9700 neue Wohnungen sind in den Jahren 2010 bis 2012 in Hamburg fertig geworden. Allerdings wurden nur 40 Prozent der Wohnungen als Mietwohnungen gebaut, der Rest ist Eigentum. Dazu kommen zwar noch Eigentumswohnungen, die vermietet werden. Die Forscher des Instituts F und B schätzen den Anteil der Mietwohnungen in ihrer neuen Studie insgesamt trotzdem nur auf gut die Hälfte.

Nur 16 Prozent der neuen Wohnungen sind Sozialwohnungen

Der Anteil Sozialwohnungen an den Neubauten blieb weiter hinter dem Drittel zurück, den der Senat im „Bündnis für das Wohnen“ versprochen hat. Gerade mal 1550 neue Sozialwohnungen sind zwischen 2010 und 2012 fertig gestellt worden. Der Grund: Die Vereinbarung über den so genannten Drittelmix wurde erst im September 2011 geschlossen. Die 2010 bis 2012 fertig gestellten Neubauten sind aber schon davor geplant und genehmigt worden. In den kommenden Jahren wird der Anteil der Sozialwohnungen an den Neubauten zwar zunehmen, ihre Gesamtzahl in Hamburg wird aber weiter abnehmen. Denn gleichzeitig laufen aber bei vielen bestehenden Sozialwohnungen die Mietpreisbindungen aus. Sie dürfen dann teurer vermietet werden, betont der Referent für Wohnungslosenhilfe und Armut bei der Hamburger Diakonie, Stephan Nagel: „Jedes Jahr müssten 4000 Sozialwohnungen entstehen, um die Anzahl stabil zu halten, denn so viele fallen jährlich aus der Bindung.“

Neue Wohnungen sind für Reiche

Neubauwohnungen sind teuer. Sie kosten im Schnitt 12,10 Euro pro Quadratmeter (nettokalt, ohne Sozialwohnungen). Zum Vergleich: Der durchschnittliche Quadratmeterpreis für Bestandswohnungen liegt in Hamburg laut Mietenspiegel 2012 bei 7,56 Euro. Dementsprechend verfügen die, die in Neubauten ziehen, über ein hohes Einkommen: pro Haushalt stehen ihnen durchschnittlich 4030 Euro zur Verfügung. „Angesichts des angespannten Wohnungsmarktes stürzen relativ Wohlhabende sich auf frei werdenden Wohnungen“, sagt Stephan Nagel. „Klar, dass weniger Vermögende da keine Chance haben.“

Aber profitieren die weniger Wohlhabenden nicht trotzdem von den Neubauten? Schließlich werden ja Wohnungen dadurch frei, dass ihre ehemaligen Bewohner in die neu errichteten, wohl meist teureren Wohnungen umziehen. Bei diesem „Sickereffekt“ werden dann theoretisch nicht in den ersten, sondern in späteren Stufen günstige, kleine Wohnungen frei. Nagel ist auch hier pessimistisch: „Bei den armen und benachteiligten Haushalten kommt der Effekt nicht an, auch die Studie weist nicht nach, dass Wohnungen für ärmere Leute frei werden.“

Die Wohnungen, die in Hamburg durch Umzüge in Neubauten frei werden (erste Stufe des Sickereffektes), kosten durchschnittlich 10,10 Euro pro Quadratmeter und werden von Haushalten bezogen, die rund 3160 Euro monatliches Einkommen haben. Das entspricht in etwa dem Hamburger Durchschnittseinkommen. Weitere Stufen des Sickereffektes lassen sich laut der Studie nicht nachvollziehen. Somit lässt sich auch nicht sagen, ob und wann Menschen mit wenig Geld etwas davon haben. Stephan Nagel vermutet, dass kaum ärmere Haushalte in frei werdende Wohnungen aufrücken konnten.

Armut erschwert einen Umzug erheblich

Viele Hamburger wollen nach einem Umzug in ihrem Viertel bleiben – aber nicht alle können sich das leisten. 60 Prozent der Befragten der Studie sagten, sie würden eine neue Wohnung in ihrem oder in benachbarten Stadtteilen suchen. Das klappt nicht immer. Menschen mit geringen Einkommen müssen bei der Wohnungssuche flexibler sein. 20 Prozent von ihnen dehnen die Suche nach einer Sozialwohnung auf das ganze Stadtgebiet aus, aber nur 12 Prozent derjenigen, die sich eine freifinanzierte Wohnung leisten können.

Wie lange die Wohnungssuche dauert, hängt auch vom Geldbeutel der Suchenden ab: Vom Entschluss umzuziehen bis zum tatsächlichen Wohnungswechsel dauert es bei ärmeren Menschen viel länger. Wer in eine frei finanzierte Wohnung zog, brauchte dafür im Schnitt acht Monate. Menschen, die auf Sozialwohnungen angewiesen sind, brauchten hingegen rund 17 Monate.

„Neubau genügt nicht“

Offensichtlich muss der Senat mehr tun, um die Wohnungsnot in Hamburg in den Griff zu bekommen. Soll er noch mehr bauen lassen? „Natürlich ist es wichtig, zu bauen“, sagt Stephan Nagel. „Aber das reicht nicht, um die Wohnungsnot in den Griff zu kriegen.“ Deswegen schlägt er weitere Maßnahmen wie eine Mietpreisbremse, die Erhaltung von Belegungsbindungen, neue Belegungsbindungen, spezielle Bauprojekte für den benachteiligten Personenkreis und eine passende Grundstückspolitik vor. Insbesondere müsste Wohnungslosen der Zugang zu den bereits bestehenden Wohnungen erleichtert werden: „Vor allem Saga GWG muss in die Pflicht genommen werden“, so Nagel. „Wir fordern, dass Saga GWG jede zweite neu vermiete Wohnung an vordringlich Wohnungssuchende vergeben muss.“

Verlasse der Senat sich ausschließlich auf den Neubau, würde es bestimmt über zehn Jahre dauern, bis eine Verbesserung der Situation eintritt, prognostiziert Nagel: „So lange darf man sich mit der großen Wohnungsnot und Wohnungslosigkeit nicht arrangieren.“

Zum Nachlesen: Wohnungspolitische Fakten und Forderungen der Diakonie

 

Text: Beatrice Blank
Mitarbeit: Benjamin Laufer
Foto: Action Press