Er sollte ein Meilenstein sein, aber nicht das Ende des Planungsprozesses: Jetzt steht der Bericht der vorbereitenden Untersuchungen für die Neue Mitte Altona zur Einsicht im Internet. Kritiker vermissen allerdings ein Gesamtkonzept für das Areal.
Wie wird die Neue Mitte Altona aussehen? Eine Antwort auf diese Frage erwarteten am Donnerstagabend die zahlreichen interessierten Zuhörer im Bürgerforum Mitte Altona. Als Stadtplaner Mario Bloem die Gutachter nach dem Rahmenplan für die Neue Mitte fragte – also ein Gesamtkonzept für das Gebiet –, herrschte betroffenes Schweigen unter den Männern an den Mikrofonen. Dann zeigten sie eine Karte, die das geplante Bebauungsgebiet in acht Teilstücke untergliedert. Für jedes einzelne haben sie ein Konzept erstellt. „Das soll ihr Rahmenplan sein?“, hakte Bloehm in vorwurfsvollem Ton nach. Die Antwort kam kurz und knapp: „Ja.“
Die Neue Mitte Altona ist nach der Hafencity Hamburgs zweitgrößtes städtebauliches Entwicklungsgebiet. Auf 75 Hektar zwischen dem Bahnhof Altona und Diebsteich wird ein neues Wohngebiet entstehen. Im ersten Bauabschnitt sollen 1500 Wohnungen gebaut werden, im zweiten 1900. Umstritten ist, wie hoch der Anteil an sozialem Wohnungsbau sein wird. Der Senat plant einen so genannten „Drittelmix“. Demnach würden 33 Prozent der geplanten Wohnungen öffentlich gefördert werden. Die restlichen zwei Drittel sind als frei finanzierte Miet- und Eigentumswohnungen geplant. Für die Bürgerinitiative Altopia ist das eine „fantasielose technokratische Mixtur“. Sie fordert, dass mindestens die Hälfte der Wohnungen Sozialwohnungen sein sollen.
Die zentrale Frage für die Entwicklung des neuen Stadtteils ist noch immer offen: Wird die Bahn ihren Fernbahnhof von Altona nach Diebsteich verlegen? Davon hängt ab, wie viele Flächen städtebaulich erschlossen werden können. Auch deshalb fordern Anwohner und Initiativen einen Planungsstopp – und weil sie sich nicht ausreichend in die Planungen einbezogen fühlen.
Keine zweite Hafencity
„Diese acht Teile, die heute gezeigt wurden, ergeben kein gemeinsames Bild“, bemängelte Stadplaner Bloem im Interview mit Hinz&Kunzt. Auch er hätte erwartet, ein konkretes Bild von der Neuen Mitte Altona präsentiert zu bekommen. „Das ist schade, es wurden 153.000 Euro ausgegeben und das Bild ist nicht da“, sagte Bloem. Was es gibt, sind Konzepte für die einzelnen Teilstücke und Leitbilder, die die Gutachter entwickelt haben. Gutachter und Stadtplaner Christian Evers formulierte es positiv: „Dieses Quartier soll kein Touristenmagnet und keine zweite Hafencity werden“, sagte er in seinem Vortrag. Auch Shoppingmalls werde man vergeblich suchen.
Das Gesamtprojekt könnte teurer werden, als ursprünglich geplant. Insgesamt schätzt das Gutachten die Gesamtkosten für die Erschließung auf 100 Millionen Euro. „Diese hohe Summe fällt nicht von heute auf morgen an“, beschwichtigte der Geschäftsführer der Stadtentwicklungsgesellschaft Steg, Martin Brinkmann. „Die Kosten müssen über einen Zeitraum von acht bis zehn Jahren erbracht werden.“ Es handele sich dabei um grobe Schätzkosten, die auf der Basis des Planungsstandes vom 30. September 2011 entwickelt worden seien.
Auch die Lärmbelastung im neuen Stadtviertel wurde kontrovers diskutiert. Denn falls die Bahn den Bahnhof nicht verlegt, wird eine geplante Parkfläche direkt dem Lärm der vorbeifahrenden Züge ausgesetzt sein. „Die Grünfläche wird trotzdem nutzbar sein. Es ist dort dann nur schlicht und ergreifend lauter“, sagte Stadtplaner Evers. „Das ist dann vielleicht nicht die Liegewiese, sondern vielleicht ein Platz zum Bolzen.“ Ein Video bei Youtube zeigt deutlich, wie laut es an dieser Stelle dann wäre. Unterhaltungen wären kaum möglich. Dennoch war sich Evers sicher: „Ich glaube, dass die Grünfläche trotzdem Nutzungsqualität haben wird.“ Eine Einschätzung, die von vielen Anwesenden nicht geteilt wurde. „Eigentlich sollte das Gründefizit in Altona reduziert werden. Und jetzt, am Ende eines so langen Prozesses, hat man nur eine nicht gut nutzbare Grünfläche “, sagte Stadtplaner Bloem zu Hinz&Kunzt. „Das kann kein gutes Ergebnis sein. Das ist zu wenig für die Chance, die wir hier haben.“
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Verlegt die Bahn den Fernverkehr nach Diebsteich und kann damit auch der Abschnitt 2 erschlossen werden, würde die Grünfläche durch Wohnhäuser vom Bahnlärm abgeschirmt sein. Die Baublöcke sollen so konzipiert sein, dass die Außenwände den Schall schlucken, damit es im Innenbereich ruhig wäre. Der Bürgerwunsch, das Viertel durch eine geschlossene Reihe von Häusern mit Gewerbebetrieben vor dem Verkehrslärm zu schützen, fand in der Vorstellung des Berichts keine Beachtung.
Die Stadtentwicklungsbehörde sah sich noch nicht im Stande, den Untersuchungsbericht zu bewerten. „Wir haben den Bericht erst seit wenigen Tagen auf dem Tisch“, sagte Oberbaudirektor Jörn Walter. „Deswegen konnten wir uns noch keine abschließende Meinung bilden.“ Tatsächlich kommt die Untersuchung zu anderen Ergebnissen, als manche vorherigen Überlegungen der Stadt. So war sie unter anderem von geringeren Kosten ausgegangen. Die weitere Entwicklung wird zeigen müssen, welche Einschätzungen der Realität am nächsten kommen.
Der Bericht der Gutachter ist ab sofort im Internet verfügbar. Die BSU stellt ihn zum Download zur Verfügung. Das Koordinierungsgremium hat angekündigt, in dieser Woche ein eigenes Gutachten im Internet zu veröffentlichen. Darin werde den Bürgerschaftsabgeordneten empfohlen, dem Masterplan nicht zuzustimmen – bis ihre Kritikpunkte mit eingeflossen sind.
Text und Foto: Benjamin Laufer
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