Künftig sollen Freier bei Kontaktaufnahme zu Prostituierten in St. Georg Geldbußen zwischen 200 und 5000 Euro zahlen. Hilfeeinrichtung kritisiert: „Die Leidtragenden sind die Frauen.” Diakonie fordert mehr Unterstützung beim Ausstieg aus der Prostitution.
Am 24. Januar hat der Senat eine sogenannte Kontaktverbotsverordnung für St. Georg beschlossen. Damit können Freier künftig mit einem Geldbuße von 200 Euro, im Wiederholungsfall von bis zu 5000 Euro belegt werden, wenn sie Kontakt zu Sexarbeiterinnen rund um den Hanspaplatz aufnehmen. Die Summen orientieren sich an den Geldbußen, die Frauen bezahlen müssen, wenn sie dort sexuelle Dienstleistungen anbieten.
Die neue Verordnung stößt bei Opposition und Hilfeeinrichtungen auf Widerspruch. Kersten Artus, gesundheits- und frauenpolitische Sprecherin der Linken, kritisiert, „dass der SPD-Senat jetzt ohne vorhergehende politische Debatte, quasi im Handstreich, eine neue Eskalation der Repression beschließt“.
„Prostitutionsfrei wird St. Georg nicht.“
Schon im April vergangenen Jahres kündigte Markus Schreiber, Leiter des Bezirksamts Mitte, an, die Prostitution aus St. Georg verlagern zu wollen. Seit August 2011 hat die Innenbehörde, die Polizeipräsenz im Stadtteil verstärkt: Nun sind vom zuständigen Polizeikommisariat zehn Beamte mehr vor Ort. Kommissariatsleiter Ulf Schröder: „Diese Dienstgruppe wurde uns zugewiesen, weil wir in St. Georg spezielle Phänomene haben, die mit dem normalen Streifendienst nicht zu bearbeiten sind.“ Dazu gehöre auch illegale Prostitution. Es gebe „eine erhebliche Beschwerdelage“. Die zusätzlichen Polizisten können mehr Kontrollen durchführen; Verstöße gegen die Sperrgebietsverordnung würden demnach häufiger geahndet. Schröder: „Prostitutionsfrei werden wir St. Georg aber nicht kriegen.“
Das glaubt auch Gudrun Greb, Leiterin der Hilfeeinrichtung Ragazza. Sie warnte schon im vergangenen April, dass Maßnahmen gegen Prostitution vor allem die Frauen treffen, die sexuelle Dienstleistungen anbieten: „Das sind alles Frauen, die keine andere Möglichkeit haben, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Viele sind drogenabhängig. Die werden nicht einfach aufhören.“ Weder Angebot noch Nachfrage nach Prositution würden durch Maßnahmen wie die neue „Kontaktverbotsverordnung“ aufgelöst, glaubt Greb. „Höchstens verdrängt“ in weniger belebte Gebiete, wo gewaltsame Übergriffe auf die Frauen kaum zu kontrollieren sein.
Auch in St. Georg selbst könnte sich die Situation von Prostituierten verschlechtern, fürchtet Greb: Die Freier hätten dann ein weiteres Druckmittel, die Frauen zu einem Abschluss zu drängen. „Der Freier bestimmt dann Bedingungen und Preis.“
Anke Mohnert, Leiterin des Diakonie-Projektes „Sperrgebiet“ in St. Georg, sagt: „Um wirklich einen Schritt weiter zu kommen, müssen wir den Ausstieg aus der Prostituion viel stärker unterstützen. Wir brauchen eine Kombination von Regelungen zur Sperrgebietsverordnung mit konkreten Schutz- und Beratungsmöglichkeiten für Mädchen, Frauen und auch Jungen in der Prostitution. Dazu gehören auch Freieransprachen und Freierkampagnen, die diese für die Lebenssituation von Prostituierten und für Menschenhandel sensibilisieren.“
Text: Beatrice Blank