Der City-Service verbindet Arbeit für Sozialhilfeempfänger mit besserem Service für alle
(aus Hinz&Kunzt 124/Juni 2003)
Dieser Mann hat eine passende Aufgabe. „Ich bin ein kommunikativer Mensch“, sagt Alain. „Mir macht es Spaß, jeden Tag mit Leuten zu reden, ihnen zu helfen und ab und zu meine Fremdsprachenkenntnisse auszuprobieren.“ Der 53-jährige gebürtige Franzose arbeitet seit neun Monaten beim City-Service. Gemeinsam mit seinen Kollegen – allesamt ehemalige Sozialhilfeempfänger – läuft der frühere Lagerarbeiter Tag für Tag durch die Innenstadt, hilft Passanten und erledigt auch Auftragsarbeiten für Geschäftsleute. 938 Euro brutto bekommt er dafür im Monat.
Zwei Jahre ist es her, dass das Arbeitsprojekt für Sozialhilfeempfänger an den Start ging. Mit dem City-Service wollte Ideengeber Hinz & Kunzt mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen: Menschen ohne Chancen auf dem Arbeitsmarkt sollten Berufspraxis sammeln und sich gleichzeitig qualifizieren können. Und Kunden und Kaufleute sollten vom neuen Service-Angebot in der Innenstadt profitieren. Projektleiter Jürgen Bortchen vom Träger „Beschäftigung und Bildung“ (b+b) zieht zufrieden Bilanz: „Es läuft so wie gedacht.“
]25 Menschen bietet der City-Service derzeit eine neue Chance. Ein Jahr lang beraten sie Touristen und Passanten auf den Straßen, verteilen Flyer im Auftrag des City-Managements, bewachen Ausstellungen in der St. Jacobi-Kirche, erledigen Büroarbeiten für die Hamburger Hochbahn AG oder reinigen den Gertrudenkirchhof im Auftrag der Landesbank. Gleichzeitig qualifizieren sie sich weiter: Fred zum Beispiel, früher Hinz & Kunzt-Verkäufer, will den Staplerschein machen und einen EDV-Kurs besuchen, denn er weiß: „Sonst habe ich keine Chance auf einen Job.“
Immerhin jedem vierten der ehemaligen Hilfeempfänger gelingt der Sprung in den ersten Arbeitsmarkt, so Projektleiter Bortchen – etwa als Museumsaufsicht, Restaurant-Bedienung oder Versicherungsangestellter. „Die anderen rutschen wieder in die Arbeitslosigkeit – aber sie sind wenigstens keine Sozialhilfeempfänger mehr, da sie Versicherungsbeiträge eingezahlt haben.“ Zudem habe „mancher wieder eine Wohnung bekommen, nachdem er bei uns angefangen hat“.
Bortchen hofft auch auf „Klebeeffekte“ bei den Kaufleuten der City: Eine seiner Mitarbeiterinnen zum Beispiel steht auf der Personal-Warteliste eines Kaufhauses, nachdem sie dort ein Praktikum gemacht hat. Wer beim City-Service eine Chance bekommt, entscheidet neuerdings vor allem die städtische Beschäftigungsgesellschaft Hamburger Arbeit (HAB). Seitdem die Behörde ihr Ein-Euro-Programm aufgelegt hat – Sozialhilfeempfänger machen drei Monate Praktikum und bekommen dafür einen Euro die Stunde zusätzlich zur Stütze – kann nur beim City-Service beginnen, wer das HAB-Praktikum geleistet und so seine Arbeitsbereitschaft bewiesen hat. Immerhin: Innerhalb dieser Zeit können die Kandidaten testen, ob der Job ihnen liegt.
Der 37-jährige Hans-Joachim findet das gut. „Zu lange“ habe er von Sozialhilfe gelebt, bis er eines Tages zum Amt gegangen sei und gesagt habe: „Ich will was machen!“ Was im Herbst aus ihm werden wird, wenn das Jahr um ist, weiß der Ungelernte noch nicht: „Ich werde mich von den Stellenangeboten inspirieren lassen“, sagt er. „Ohne Ausbildung werde ich ja nehmen müssen, was ich kriege.“ Nachdem die Stadt – die Sozialbehörde zahlt pro Beschäftigten 38.200 Euro im Jahr – seit Januar fünf neue Arbeitsplätze beim City-Service finanziert, ist Projektleiter Bortchen um die Zukunft nicht bange. „Wir erwirtschaften immer mehr Geld selbst.“
Acht Euro die Stunde pro Mitarbeiter berechnet der City-Service für seine Dienstleistungen, und die Nachfrage wächst: 18.000 Euro kamen im Startjahr 2001 zusammen, 24.000 Euro waren es 2002, im laufenden Jahr sollen es gar 35.000 Euro werden. Dass dieses Ziel realistisch ist, bestätigt City-Manager Henning Albers, Sprecher der Geschäftsleute in der Innenstadt: „Die gute Qualität der Arbeit wird von der Kaufmannschaft sehr geschätzt.“ Das Projekt nehme anderen die Arbeit weg, monierten Kritiker wie die Sozialpolitische Opposition vor zwei Jahren. Projektleiter Bortchen sieht diese Befürchtung nicht bestätigt. „Büro- und Fassadenreinigung zum Beispiel lehnen wir gleich ab. Und die Stadtreinigung fährt ja weiterhin jeden Morgen durch die Spitaler Straße.“
Für Mitarbeiter wie den Ex-Hinz & Künztler Fred sind solche Fragen eher zweitrangig. Er ist gerade zum Teamleiter aufgestiegen. Seitdem ist der Ungelernte verantwortlich für die Einsätze seiner zehnköpfigen Gruppe. „Andere Leute scheuchen macht immer Spaß“, sagt Fred und lacht. Alain findet, dass sein Kollege das gut macht: „Er ist nett. Hart, aber gerecht.“