Trauriger Höchststand: 1,5 Millionen Menschen werden in Deutschland von den Tafeln regelmäßig mit kostenlosen Lebensmitteln versorgt. Der Bundesverband der Tafeln kritisiert: Armutsbekämpfung spielt in der Sozialpolitik eine viel zu geringe Rolle.
Die deutsche Wirtschaft wächst, die Arbeitslosenzahlen sind niedrig, der Beschäftigungsstand so hoch wie lange nicht. Dass Europa gerade in einer tiefen Wirtschaftskrise steckt, erscheint angesichts solcher Erfolgsmeldungen kein deutsches Problem zu sein. Stimmt nicht, kritisiert der Bundesverband Deutsche Tafel e.V.. „Arbeit zu haben oder lange gearbeitet zu haben, bedeutet schon lange nicht mehr, vor Armut geschützt zu sein“, sagt Verbandsvorsitzender Gerd Häuser. „Es gibt Millionen Menschen, die nicht vom Aufschwung profitieren und auf staatliche Sicherungsleistungen angewiesen sind: Langzeitarbeitslose, Teilzeitkräfte, Niedriglöhner, Alleinerziehende mit ihren Kindern und Rentner.“ Insbesondere die Arbeitnehmer, die zusätzlich zu ihrem Gehalt auf Sozialleistungen angewiesen sind, bereiten dem Verband Sorgen.
Die Sozialpolitik in Deutschland sei gescheitert, schlussfolgert der Tafelverband. Zwar seien grundsätzliche politische Veränderungen notwendig, um Armut erfolgreich zu bekämpfen. Doch diese grundsätzlichen Lösungen würden von der Politik nicht forciert. „Eine sinnvolle Strategie zur Bekämpfung der Armut in Deutschland scheint es nicht zu geben“, sagt Häuser. Weder für Kinderarmut, Altersarmut, prekäre Beschäftigungsverhältnisse noch die Arbeitsmarktchancen Alleinerziehender wären Lösungen absehbar. Dabei könne durch Steuer- und Sozialpolitik viel erreicht werden. „Es wird kein Wohlhabender arm, wenn der Spitzensteuersatz erhöht oder eine Vermögenssteuer eingeführt wird“, so Häuser. Die Einnahmen könnten verwendet werden, „um den Sozialstaat und unsere Gesellschaft weiterzuentwickeln.“
Der Bundesverband Deutsche Tafel vertritt insgesamt 891 Tafel-Einrichtungen in ganz Deutschland. 11 Einrichtungen sind 2011 dazugekommen. Die Tafeln sammeln Lebensmittel, die zwar noch genießbar sind, andernfalls aber weggeworfen würden. Diese Nahrungsmittel verteilen sie dann kostenlos an bedürftige Menschen. 1,5 Millionen Menschen versorgen sie laut Bundesverband regelmäßig, vor einem Jahr waren es noch rund 500.000 weniger. Ein ehrenwertes Unternehmen, für das es aber auch Kritik gibt: Experten wie der Soziologe Dr. Stefan Selke bemängeln, dass durch die Verlässlichkeit der Tafeln immer weniger über Alternativen der Armutsbekämpfung nachgedacht wird. Finanziert wird die Arbeit der Tafeln hauptsächlich aus Spendengeldern – 2011 waren es insgesamt 6,5 Millionen Euro. Schirmherrin des Verbands ist Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU). BELA