Im Juni soll in Hamburg eine große Neonazi-Demonstration stattfinden. Anhand des „Tags der deutschen Zukunft“ lassen sich Modernisierungsstrategien der Szene beschreiben, sagt der Experte Kai Budler. Er hält am Donnerstag einen Vortrag darüber.
Wenn sich Neonazis zu Großdemonstrationen treffen, blicken sie meistens in die Vergangenheit. In Dresden nutzen sie in den vergangenen Jahren stets den Jahrestag der Bombardierung der Stadt, um ihre Ideologie bei Europas größtem Nazi-Aufmarsch auf die Straße zu tragen. Auch beim größten Aufmarsch Norddeutschlands, zu dem sich die jährliche Demonstration in Bad Nenndorf in den letzten Jahren entwickelt hat, geht es um Vergangenes. Dort unterhielt die britische Armee nach dem zweiten Weltkrieg ein Gefängnis, in dem auch NS-Funktionäre gefoltert wurden. Für die Nazis von heute eine Steilvorlage, um sich als „Opfer der Alliierten“ zu inszenieren. Denn darum geht es ihnen: die Umdeutung der Geschichte zu ihren Gunsten.
Beim „Tag der deutschen Zukunft“ ist das anders. Am 2. Juni wollen bis zu 1000 Neonazis nach Hamburg kommen, um durch die Stadt zu marschieren. „Der Tag der deutschen Zukunft ist einer der wenigen Aufmärsche, bei dem die Nazis dediziert nach vorne schauen“, sagt der Journalist und Rechtsextremismus-Experte Kai Budler. Das sei ein Kontrapunkt zu so genannten Trauermärschen wie in Dresden oder Bad Nenndorf, bei denen es hauptsächlich um Geschichtsrevisionismus gehe. Im Aufruf zur Hamburger Demonstration wird rassistisch gegen „Nichtdeutsche“ gehetzt, der Bundesregierung wird eine „deutschenfeindliche Politik“ unterstellt.
Dieser Tag ist mehr als bloß eine Demonstration. „Er ist ein gutes Beispiel dafür, wie Altnazis ein Event etablieren und dafür ein eigenes Umfeld schaffen“, sagt Budler. Zum Aufmarsch werden Merchandising-Artikel wie Sticker, Gürteltaschen oder Honig-Met angeboten. „Das ist keine isolierte Demo, sondern eine ganzjährige Kampagne“, so der Journalist. Organisiert werde sie von einem Netz von norddeutschen Nazi-Kadern, die sich teilweise schon seit Jahrzehnten kennen. Bislang fand der „Tag der deutschen Zukunft“ in Pinneberg, Hildesheim und Braunschweig statt.
Eine Demonstration in Hamburg habe für die Nazi-Szene eine besondere Bedeutung, sagt Budler. „Das hat die Symbolkraft: Wir marschieren durch das Rote Hamburg!“ Es gehe darum, Stärke zu zeigen. Bei der letzten großen Neonazi-Demonstration in Hamburg am 1. Mai 2008 kam es zu gewalttätigen Übergriffen auf Gegendemonstranten und Journalisten. Der Polizei ist es für eine Einschätzung der Lage am 2. Juni noch zu früh. Das Hamburger Bündnis gegen Rechts ruft bereits dazu auf, den Aufmarsch zu stoppen. Motto: „Internationale Solidarität statt völkischer Wahn!“
Im Rahmen der Aktionswoche „Hamburg steht auf“ hält Kai Budler am Donnerstag, den 22. März, einen Vortrag zum Thema „Modernisierungsstrategien der extremen Rechten am Beispiel des Tags der deutschen Zukunft“. Beginn ist um 18 Uhr im Hörsaal J der Uni Hamburg.
Text: Benjamin Laufer