Behutsam Haus für Haus sanieren oder gleich die Siedlung abreißen und neu bauen – höher und massiver? Um diese Frage streiten sich in Langenhorn Bewohner, Politiker und Bauherren. Ende Oktober soll über das Quartier abgestimmt werden.
Sie ist ein Idyll im Norden Langenhorns: die Wulffsche Siedlung. Entstanden in den 40er- und 50er-Jahren nach dem Muster einer Gartenbausiedlung erheben sich schlichte, höchstens zweistöckige Wohnblocks, mit viel Platz links und rechts. Dazwischen finden sich ruhige Straßen ohne Durchgangsverkehr. Auch prägt viel Grün das Viertel. Und die Mieten sind vergleichsweise billig. Unbestritten aber ist, dass viele der Häuser in keinem allzu guten baulichen Zustand mehr sind. Die derzeitigen Grundeigentümer wollten gleich Nägel mit Köpfen machen: Die Häuserblöcke mit insgesamt 546 Wohnungen sollten komplett abgerissen werden. Höher und enger sollte anschließend das Areal bebaut werden – mit dann über 800 größeren Wohnungen. Festgeschrieben werden soll all das in einem Bebauungsplan mit der Nummer 73. Wird der von der Bezirksversammlung Nord beschlossen, ist er rechtskräftig.
Dagegen gründete sich schnell eine örtliche Bürgerinitiative, bestehend aus Mietern der Siedlung, aber auch Anwohnern der benachbarten Straßen (wir berichteten im März 2011: Aufstand in Langenhorn). Im Mai dieses Jahres hatte die Initiative „Stoppt Langenhorn 73“ ein erstes Ziel erreicht: Sie sammelte mehr als die nötigen 10.000 Unterschriften, um einen Bürgerentscheid gegen den Bebauungsplan in die Wege leiten zu können.
Die Politik schien einzulenken: Hinter verschlossenen Türen trafen sich Ortspolitiker mit Vertretern der Bürgerinitiative. Deren Angebot: Bei einer Zusage, dass keinem der Bewohner gekündigt werden dürfe und kein Abriss erfolge, würde man dem Neubau von 300 Wohnungen am Rande der Siedlung zustimmen. Doch die Politiker waren nur bereit einen umfassenden Mieterschutz zu garantieren, den künftigen Bauherren wollen sie aber freie Hand lassen, was Abriss der alten und Geschoßhöhe und Bebauungsdichte der dann neuen Häuser betrifft. Nun stehen sich also beide Kontrahenten wieder gegenüber. Die Bürgerinitiative wird ihre Chance nutzen und versuchen mit einem nun eingeleiteten Bürgerbescheid den Bebauungsplan zu kippen.
Streit gibt es aber mittlerweile auch unter den Bewohnern der Siedlung selbst: Während die einen die Arbeit der Bürgerinitiative tragen und unterstützen, lehnen andere deren Engagement ab. So hat sich jüngst der sechsköpfige Mieterbeirat der Siedlung dafür entschieden, sich nicht am Bürgerentscheid zu beteiligen. Man vertraut dort den Zusagen der derzeitigen Grundeigentümern, dass ihnen weder die Wohnungen gekündigt noch das Gebäude abgerissen werden. So oder so – am 27. Oktober werden in Langenhorn die Bürger entscheiden, wie es mit der einstigen Gartenbausiedlung weitergeht.
Text: Frank Keil
Foto: Mauricio Bustamante