Ob Faultier, Biene oder Schwein: Tiere lassen es geruhsam angehen
(aus Hinz&Kunzt 140/Oktober 2004)
Zuerst lugt ein behaarter Arm aus dem Kasten, der dicht unter der Decke des Geheges hängt. Ein zweiter Arm folgt, dann der Kopf. Bedächtig schält sich das Faultier aus seiner engen Schlafstatt.
Blinzelnd mustert es die Besucher des Zoos, die es, Kopf im Nacken, mit angehaltenem Atem beobachten. Schließlich hängt sich das Tier mit allen Vieren an einen Ast. Dort baumelt es nun kopfüber, nur gehalten von seinen langen, gelblichen Krallen, die anmuten wie die Sichel am Armstumpf eines Piraten. Sein hellbraunes Haarkleid wirkt wie das Fell eines alten Teddys, platt gedrückt und zerknautscht dort, wo es im engen Kasten gelegen hat. Einen kurzen Moment verharrt das Tier, doch dann – husch – hangelt es sich quer durch den Raum in Richtung Futterstelle.
Husch? Na gut, das ist stark übertrieben. „Einen fluchtartigen Galopp wird man beim Faultier nicht erleben“, sagt Wolfgang Ludwig, Zoologischer Leiter des Dresdner Zoos, in dem das Faultier lebt. Aber ein so großer Müßiggänger, dass es seinen Namen verdient hätte, ist das Faultier nicht. Zu Löwen beispielsweise hätte der Titel besser gepasst: Ein Löwe mit gutem Auskommen ruht bis zu 22 Stunden am Tag. Wenn die Jagd erfolgreich war, gibt es keinen Grund, sich weiter zu bewegen. Das Faultier, erklärt Ludwig weiter, schlummert dagegen „nur“ rund 16 Stunden täglich. Das allerdings kann es sich dank einer umsichtigen Lebensweise und ein paar Tricks erlauben: Das Faultier muss gut haushalten mit den paar Nährstoffen, die ihm die Pflanzen liefern. Also atmet der Vegetarier nur mit halber Frequenz, und so verbraucht sein Stoffwechsel weniger Energie. Außerdem kann das Faultier seine Körpertemperatur senken, wenn es ruht. In freier Wildbahn harrt es hoch oben im Geäst des südamerikanischen Regenwaldes aus. Und weil es nicht viel Haarpflege betreibt, ist es vor seinen Feinden perfekt getarnt: In seinem Fell bilden sich Algen, die den Tieren eine grünliche Farbe verleihen. Da das Faultier immer kopfüber im Baum hängt, trägt es den Scheitel auf dem Bauch, das Haar wächst in Richtung Rücken. Kein Schütteln und Putzen ist nötig – das Regenwasser läuft einfach ab. So schafft es das Faultier, durch schlaffes Herumhängen und langsame Bewegungen, bis zu 40 Jahre alt zu werden.
Energie zu sparen, es langsam angehen zu lassen, zahlt sich also aus. Das sieht nicht nur das Faultier so: Eine Schlange, die gerade ein Tier erbeutet hat, döst anschließend tagelang. Ihre einzige Beschäftigung: verdauen. Nur Herz und Lunge pumpen auf Hochtouren, fanden Jenaer Zoologen heraus. Ist der Verdauungsakt erst abgeschlossen, zehrt die Schlange monatelang von ihren Reserven. Wenn schon fressen, dann richtig, nämlich ein Vielfaches des eigenen Körpergewichts. So werden Schlangen bis zu 25 Jahre alt.
Tiere schuften eben nur, wenn es sein muss. Das Schwein wird zur faulen Sau, sobald es unter die Fittiche des Menschen gerät. In der Natur zeige das Schwein Verhaltensmuster des Wildschweins, schwört der Verein der Schweinefreunde. Aber wozu lange herumwühlen und stöbern, nimmt doch der fleißige Mensch alle Arbeit ab? Ließe der das Schwein am Leben – rund 15 fröhliche Jahre würde es faulenzen. Dass Müßiggang gesund ist, beweist vor allem das Leben der Honigbiene: Im Winter, wenn draußen nichts mehr blüht und keine Brut zu pflegen ist, halten die Bienen Winterruhe, sagt Horst Rodig vom Hamburger Imkerverband. Von Mitte September bis April tun die Bienen nichts außer eine Traube zu bilden und zwecks Wärmeproduktion mit den Muskeln zu zittern. Sie altern noch nicht mal während dieser Zeit! Erst im Frühjahr, wenn die Brutpflege beginnt, beginnt der Stress, und schon setzt der Alterungsprozess ein. Dann allerdings rasant, erklärt Rodig: Während die Biene im Winter sechs Monate lebt, hält sie im Sommer nur sechs Wochen durch. Kein Wunder, bei dem Arbeitspensum: Zellen putzen, Honig von einer Wabenzelle zur nächsten tragen und schließlich Nektar außerhalb des Stocks sammeln.
„Heute habe ich keinen Bock – das gibt es bei der Biene nicht“, sagt Imker Rodig. Und wahrscheinlich würden die Sommerbienen noch viel früher sterben, würde es die Natur nicht ab und an gut mit den Tieren meinen: Bei Sturm und Regen bleiben sie im Stock. Und bringt nicht eine der so genannten Spurbienen die Nachricht von einer ergiebigen Nektarquelle heim, fliegen die Sammelbienen erst gar nicht hinaus. Selbst eine fleißige Honigbiene hat eben Ruhepausen nötig.
Was lernen wir daraus? Zu viel Stress verkürzt das Leben. Machen Sie es wie Sophia Loren. Die geht jeden Abend um 21 Uhr ins Bett – und ist mit ihren 70 Jahren noch immer wunderschön!