Robert verkauft Hinz&Kunzt vor dem Aldi am Eidelstedter Weg in Eimsbüttel.
Es hat einige schlimme Jahre im Leben von Robert gegeben. Aber die, von denen er immer wieder spricht, sind 2010 und 2021. 2010 war das Jahr, in dem er alles verlor. 2021 passierte es ihm erneut.
Robert gehört zu der Sorte Mensch, mit der man sich gerne anfreundet. Ein ruhiger Typ mit Lachfältchen und leuchtenden blauen Augen. Die Strapazen des Lebens auf der Straße sieht man ihm nicht an. „Meine Kindheit? War komisch“, sagt er und lacht. Robert wird 1972 im polnischen Zgorzelec geboren. Gleich auf der anderen Seite der Neiße liegt die deutsche Stadt Görlitz.
Seine Mutter arbeitet in Deutschland, sein Vater in Tschechien, er wächst zeitweilig bei einer Tante auf. In der Berufsschule lernt Robert Beton- und Stahlbauer. Eine unruhige Zeit: „Als ich von der Schule kam, ging der Kommunismus kaputt.“
Dennoch geht es ihm nicht schlecht in Zgorzelec. Er verdient gutes Geld, später bekommen er und seine Frau drei Kinder. Doch Robert arbeitet oft auswärts. Die Ehe kriselt, mehrmals verlässt ihn seine Frau. Eines Tages bleiben sie und die Kinder weg. Robert hat genug: „Ich habe alles hinter mir gelassen: Arbeit, Haus, Kinder. Meine Familie hat mich gesucht, aber ich habe niemandem Bescheid gesagt.“ Bis auf seinen Bruder. Der hatte schon mal Hinz&Kunzt verkauft. Nun brechen beide zusammen in Richtung Hamburg auf – zu Fuß. Nach eineinhalb Monaten kommen sie an. Es ist der Sommer 2010.
Robert schläft auf der Straße und verkauft das Straßenmagazin, doch nicht lange, dann findet er Jobs als Fahrer und Hausmeister. Er mag die Hamburger:innen, lernt Deutsch. „‚Ich wünsche euch einen angenehmen Tag.‘ Zwei Monate lang habe ich das trainiert“, erzählt Robert. „Meine Zunge hat sich verknotet!“ Später betreut er Grünflächen. Er bekommt eine kleine Wohnung – doch er verliert sie wieder, in seinem zweiten schlimmen Jahr.
„2021 starben mein Bruder, meine beste Freundin, ein Kumpel und mein Stiefvater.“ Sein Alkoholkonsum war schon zuvor problematisch, nun trinkt er jeden Tag Wodka – und verliert seine Wohnung wieder. „Dann habe ich mir gesagt: ‚Ab heute keinen Schluck mehr!‘ Aber das ging nicht. Auch heute trinke ich noch, aber nur noch zwei Bier. Und stopp! Niemals Wodka.“
Robert bekommt erneut einen Verkäuferausweis. Die Hinz&Kunzt bietet er an seinem Stammplatz vor dem Aldi im Eidelstedter Weg in Eimsbüttel an. „Zeitungen verkaufen ist ein Handwerk“, sagt Robert. Weil man geschickt und freundlich sein muss? „Genau!“ Er schätzt den Austausch mit anderen Hinz&Künztler:innen: „Alleine hast du keine Chance. Es geht immer weiter, Stück für Stück.“
Die Hoffnung will Robert nicht verlieren, obwohl er seit drei Jahren wieder Platte macht – zusammen mit seiner Freundin. Er kann sich gut vorstellen, wieder als Handwerker zu arbeiten. „Ich bin immer Optimist. Schlechte Träume schicke ich in den Kosmos!“ Und da ist es wieder, dieses Lachen.