Rainer (63) jobbte früher in der Binnenschifffahrt, ohne Wohnung an Land. Dann verlor er seinen Job und stand auf der Straße. Heute verkauft er Hinz&Kunzt vor Penny in der Sievekingsallee.
Fast 40 Jahre lebt Hinz&Künztler Rainer inzwischen in Hamburg. Seine rheinische Mundart hat der gebürtige Düsseldorfer aber nie abgelegt. „Et ist nun mal so, dat ich so reden tue“, sagt der 63-Jährige.
Was ihn damals nach Hamburg verschlug? „Schuld ist mein Bruder“, sagt Rainer schmunzelnd. „Der hat mich hierher verschleppt.“ Damals hatte er gerade seinen Job bei Mannesmann verloren. Kaum in Hamburg angekommen, habe er eine Frau kennengelernt. „Dat ist mir im Rheinland nicht passiert“, erzählt er lachend.
Ich wollte Priester werden– Hinz&Künztler Rainer
Sie heirateten, bekamen zwei Töchter. Beruflich versuchte Rainer damals, Aktienpakete an den Mann zu bringen. Viel Geld kam dabei nicht rum. Deshalb habe es regelmäßig Streit zwischen Rainer und seiner Frau gegeben – „und ich hab’ wohl auch zu viel gearbeitet gehabt“, räumt Rainer ein. Nach der Trennung habe er nie wieder ernsthaft mit einer Frau angebändelt. „So wat mache ich nur einmal mit“, sagt er rückblickend. „Dat langt.“
Negative Erfahrungen mit Frauen – die wären ihm erspart geblieben, wenn er seine Jugendpläne verwirklicht hätte. „Ich wollte Priester werden. Dat hatte ich ernsthaft vor“, sagt Rainer. „Aber um da ranzukommen, hätte ich viel studieren müssen. Dat hat mich dann davon abgebracht.“
Keine Ausbildung und gesundheitliche Probleme
Stattdessen hat er viel malocht: Lager, Abbruch, Autoschrauber, Maler, Tischler und später dann Altenpfleger. Weil er keine Ausbildung hatte, nahm er, was kam. Doch nichts war von Dauer. Wohl auch deswegen, weil Rainer wegen einer Verkrümmung der Wirbelsäule nicht so belastbar war. Vor 20 Jahren wurden die Beschwerden stärker.
„Ich konnte mich kaum mehr bewegen“, erinnert er sich. Wieder war er zum Umstieg gezwungen. Fortan jobbte er in der Binnenschifffahrt. Brunsbüttel, Berlin und runter bis nach Duisburg sei er gefahren, erzählt Rainer. Zum Wasser habe es ihn schon immer hingezogen: Als er acht Jahre alt war, brachte ihm sein Vater das Rudern bei. Als Erwachsener machte er einen Segelschein und nutzte fortan jede Gelegenheit, um in See zu stechen.
Dementsprechend glücklich war er, als er sein Hobby zum Beruf machen konnte. Es gab nur einen Haken: Weil er auf den Schiffen nicht nur arbeitete, sondern auch lebte, hatte er seine Wohnung aufgegeben. Rainer war fast 60 Jahre alt, als sein Chef Insolvenz anmeldete.
Die Arbeit war weg, sein Zimmer auf dem Schiff auch. Und dann flog auch noch auf, dass er gar keine Papiere besaß, die ihm die Binnenschifffahrt erlaubt hätten. Vier Wochen ging er dafür in den Knast. Nach seiner Entlassung stand er mit leeren Händen da. „Auf der Straße habe ich trotzdem nie gelebt“, sagt Rainer.
Er kam bei Bekannten unter und fing an, Hinz&Kunzt zu verkaufen. Lediglich zwei, drei Nächte schlief er wirklich im Freien. Bevor sich die Situation noch weiter zuspitzte, bat er Hinz&Kunzt-Sozialarbeiterin Isabel Kohler um Hilfe. Tatsächlich konnte sie ihn in einen Seniorenwohnpark vermitteln, wo er inzwischen seit mehr als einem Jahr lebt.
Rainer ist glücklich. Und er hat ein Ziel: Er spart für ein Schlauchboot mit E-Motor. Damit würde er gerne seine Tochter in Elmshorn besuchen, zu der er engen Kontakt hält. „Ich müsste ja nur die Krückau hochfahren“, sagt er und fügt lachend hinzu: „Dabei würde ich sogar sparen, weil ich nicht mit dem HVV fahren muss.“