Es kommt öfter vor, dass Freunde von Hinz&Kunzt vorbeikommen, Kleidung bringen oder eine Spende abgeben. Was selten ist: Dass uns ein ehemaliger Verkäufer besucht und Klamotten und Geld spendet.
Jahre hatten wir keinen Kontakt mehr zu Günter. So etwas passiert oft: Von einem Tag auf den anderen verschwindet jemand, und wir wissen nicht, was aus ihm geworden ist.
Was uns sehr freut: Günter geht es inzwischen wieder richtig gut. Zwei Jahre war der Wiener obdachlos, hat mit elf anderen unter der Kennedybrücke gelebt. Im Winter hatte er Glück und bekam einen Container. „Ich war zwar auf Platte“, sagt der 56-Jährige bei seinem Besuch. „Aber ich wusste immer: Das soll nicht so bleiben.“
Auch Hinz&Künztler wollte er nicht ewig bleiben. Aber es half ihm über die erste Zeit hinweg: „Sobald ich Geld verdient habe, bin ich nicht mehr oft in die Suppenküche gegangen, sondern habe mich selbst versorgt.“ Bald machte er sich auf die Suche nach einem Job, „egal wo“. Und den fand er: putzen in der legendären Kneipe „Goldener Handschuh“. Nebenbei arbeitete er noch zeitweise ehrenamtlich auf einem Dampfeisbrecher im Hafen.
2009 bekam Günter dann einen Job bei einer Sicherheitsfirma, 2011 wurde er dort fest angestellt. Inzwischen ist er Objektleiter und Hausmeister. Und glücklich mit seiner Arbeit. „Wir sind dort wie eine große Familie“, sagt er über sein Verhältnis zu den Mitarbeitern in seinen „Objekten“.
Warum er sich so lange nicht gemeldet hat? Er brauchte wohl Abstand zu uns – und vor allem zur Obdachlosenszene. Für ihn, der keinen Alkohol trank, war es schwierig auszuhalten, dass bei manchen Frühstück und Abendessen aus einer Flasche Rum mit Orangensaft bestand. „Da schläfst du zwar gleich tief, aber am nächsten Morgen ist alles wieder da.“ Er fügt hinzu: „Das meine ich gar nicht abfällig.“ Die meisten seien nämlich menschlich okay gewesen. „Wir haben immer aufeinander aufgepasst, und wer was hatte, hat mit den anderen geteilt.“ Und das will er auch noch sagen: Rauszukommen aus der Obdachlosigkeit ist gar nicht leicht. „Man braucht eine Perspektive und ein Quäntchen Glück.“
Er hatte das. Vielleicht das Wichtigste: Er ließ sich weder von Umständen noch von Menschen unterkriegen, die sich seinem Willen zum Ausstieg in den Weg stellten. Obwohl das oft schwer war. Symptomatisch diese Geschiche: Er war wieder mal beim Arbeitsamt. Da war er 40 Jahre alt. „Mein Sachbearbeiter war ein Schnösel, vielleicht 23 Jahre alt. Der sagte mir, ich sei nicht leistungsfähig genug, um einen Container zu leeren.“ Da habe er an sich halten müssen. „Ich war doch erst 40! Ich wollte doch unbedingt arbeiten!“ Hartz IV hat er als Österreicher sowieso nicht bekommen.
Das alles ist jetzt überstanden. Fehlt nur noch ein Hobby! Es soll wieder ein Traditionsschiff sein, auf dem will er ehrenamtlich arbeiten. „Ich habe schon eins im Auge“, sagt der Wiener. „Mal seh’n, ob ich dort anheuern kann.“
Text: Birgit Müller
Foto: Jonas Füllner