Petr (48) verkauft Hinz&Kunzt vor dem Aldi-Markt in Thesdorf. Heute ist er wieder zuversichtlich. Das war nicht immer so: Als ihn seine Familie verließ, wollte er schon Schluss machen.
Gut, dass er damals nicht gesprungen ist. Es geht wieder bergauf in Petrs Leben. Der 48-Jährige hat eine neue Freundin, eine Wohnung, nette Kunden. Und Hoffnung auf eine richtige Arbeitsstelle. „Langsam nach oben“, sagt Petr und lächelt zuversichtlich.
Eigentlich war er schon oben. Bis 2010 lebte Petr in Prag mit Frau und Sohn, arbeitete als Elektroinstallateur bei Škoda. Ein schönes Leben – bis seine Frau erneut schwanger war. Von einem anderen. Für Petr brach die Welt zusammen. „Ich stand schon auf der Eisenbahnbrücke und wollte in die Stromleitung springen“, erzählt er. Im letzten Moment holte er sich Hilfe. Der Notarzt brachte ihn in Sicherheit. Zwei Tage später stieg Petr in den Zug nach Berlin.
Ich stand schon auf der Eisenbahnbrücke … – Petr
Ins Ungewisse, egal, Hauptsache weg. Es war die erste von etlichen Zugreisen, die Petrs Leben fortan bestimmten. Sechs Jahre tingelte er durch Europa. Zur Weinlese nach Frankreich, nach Holland in die Tulpenfelder, auf belgische Baustellen, zur Erdbeerernte ins Ruhrgebiet.
So lief es damals: Nach jedem Job suchte er im Netz den nächsten, traf sich mit Chefs am Hauptbahnhof irgendeiner europäischen Stadt. Sie brachten ihn zum Arbeitsplatz, der auch sein Zuhause sein sollte. Meist teilte er mit anderen Saisonarbeitern einen Container, 180 Euro pro Kopf.
Krankenversicherung oder Rente zahlten die Chefs nicht. Das Dasein als Tagelöhner versprach Geld, doch es brachte ihn kaum voran. Petr brauchte ein Zuhause. Im Januar 2016 begann er einen Sprachkurs in Berlin. „Wer in Deutschland leben will, muss Deutsch lernen“, sagt er. Nach zwei Monaten fühlte er sich reif für die Jobsuche und zog wieder um.
„Die Leute sind hier unheimlich nett“
„Berlin hat 20 Prozent Arbeitslosigkeit“, erklärt er. „Hamburg nur 7 Prozent.“ Ohne Kontakte, ohne Bleibe kam Petr in Hamburg an. Vorerst lebte er vom Flaschensammeln, dann der Glücksfall: Er fand einen Platz im Winternotprogramm und freundete sich mit seinem Containergenossen Henryk an. Henryk stellte ihn bei Hinz&Kunzt vor, kurz darauf hatte Petr einen Platz: den Aldi-Markt in Thesdorf.
Seitdem läuft es wieder besser. Jeden Tag steht er von 10 bis 19 Uhr an seinem Platz und verkauft das Straßenmagazin. Etwa 200 Stammkunden kommen regelmäßig. „Die Leute hier sind unheimlich nett“, sagt Petr. „Sie respektieren den Verkauf wie richtige Arbeit.“
Als das Winternotprogramm endete, blieb er auch nachts am Verkaufsplatz. Eine Wohnung vom Amt stand ihm nicht zu, also sparte er, bis er genug Geld für ein WG-Zimmer hatte. Doch auch dort blieb Petr nur kurz. Über Facebook lernte er Anna kennen, seine neue Liebe. Seit Juli wohnen sie zusammen. Während Anna Hotelzimmer putzte, renovierte Petr die Wohnung.
„Jetzt ist es richtig schön“, sagt er. Bald, so hofft Petr, kommt es sogar noch besser: „Ab März habe ich einen festen Job.“ Direkt neben Aldi liegt eine Baumschule. Einen Vertrag hat er zwar noch nicht – aber ein Versprechen. Petr lächelt. Dann hätte er den steilen Weg nach oben endlich geschafft.