Brückenbewohner :
Mitten unter uns: Saitan

Wer sind die Menschen, die in unserer Stadt unter Brücken leben? Die Fotografin Lena Maja Wöhler hat einige der 2000 Obdachlosen getroffen. Heute im Porträt: Saitan, der unter der Kersten-Miles-Brücke lebt – und Gitarre spielt.

(aus Hinz&Kunzt 273/November 2015)

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Saitan und seine „Neue“.

Ein Donnerstag, irgendwann im Sommer: Ich hatte von der Kersten-Miles-Brücke gehört, einem altbekannten Treffpunkt und Zuhause von Obdachlosen. Davon wollte ich mir ein Bild machen und fuhr hin.

Ein Mann, der gerade Gitarre spielte, freute sich über meinen Besuch. Er stellte sich mir als Saitan vor. Den Namen hätten ihm Freunde gegeben, als Mischung aus seiner Gabe, wie der Teufel Gitarre spielen zu können, und dem Wort „Saiten“.

Saitan erzählte mir, wie er im vergangenen Winter in einer der Notunterkünfte Hamburgs Schutz vor der Kälte gesucht hatte. Eines Nachts klaute man ihm dort sein geliebtes Instrument. Daraufhin ging er so lange nach Pfandflaschen suchen, bis er sich eine gebrauchte Gitarre leisten konnte.

Seine alte Gitarre aber sei wie eine schöne Frau an seiner Seite gewesen. Die Neue und er würden sich dagegen noch nicht vertrauen. Um das zu ändern, hatte er sich etwas besonders einfallen lassen: Jeder der an der Kersten-Miles-Brücke vorbei geht und etwas in die Spendenbox wirft, bekommt von ihm ein spontan kreiertes Lied vorgespielt.

Ich selbst konnte beobachten, wie er für eine Frau die Melodie von „Pretty Woman“ anstimmte und sang: „Schöne Frau im bunten Kleid, danke für deine Spende und genieß den Tag und die Sonnenstrahlen.“

Ja, Saitan ist definitiv ein Romantiker und Casanova. Als ich ihn fragte, warum er das Leben unter der Brücke gewählt hatte, erzählte er mir von seinen sieben Kindern von vier unterschiedlichen Frauen in Ungarn. Er vermisse zwar die Kinder. Aber die Liebe zu Frauen, die gibt es für ihn nur noch in Gitarrenform.

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Hamburgs Winternotprogramm
Vom 1. November bis 31. März läuft das Winternotprogramm. 890 Plätze stehen als Erfrierungsschutz zum Start bereit: Auf dem Schulhof neben dem Kollektiven Zentrum (KoZe) in der Münzstraße gibt es 400 Schlafplätze in einem Gebäude und in Wohncontainern. In einem ehemaligen Verlagshaus am Schaarsteinweg sind 350 Plätze eingerichtet. Die Einrichtungen sind täglich von 17 bis 9 Uhr geöffnet, tagsüber sind sie geschlossen. Hinzu kommen 140 der besonders begehrten Containerplätze, die in Kirchengemeinden, der Hochschule für angewandte Wissenschaften und bei der Evangelischen Hochschule für Sozialpädagogik beim Rauhen Haus stehen. Trotz Erhöhung der Kapazitäten werden die Plätze nicht ausreichen: Die Diakonie schätzt die Zahl der Menschen, die in Hamburg auf der Straße leben, auf 2000.

Text und Foto: Lena Maja Wöhler

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