fördern und wohnen :
Mitarbeiter kritisieren Notmaßnahmen für Flüchtlinge

Scharfe Kritik an den aktuellen Hilfsangeboten für Flüchtlinge formulieren führende Mitarbeiter der städtischen Wohnungslosenhilfe. Das Absenken der Standards gefährde den sozialen Frieden in den Unterkünften, heißt es in ihrer Erklärung.

Bergedorf
In Bergedorf campierten zum Wochenbeginn Flüchtlinge vor dem Eingang zu einer Flüchtlingsunterkunft.

Die aktuellen Notmaßnahmen für Flüchtlinge kritisieren Leitungskräfte des städtischen Unterkunftsbetreibers fördern und wohnen (f&w) scharf. Derzeit würden alle bisherigen Standards der öffentlichen Unterbringung über Bord geworfen. Das störe „den sozialen Frieden in den Unterkünften und senken dramatisch die Akzeptanz dieser Einrichtungen und ihrer Nutzer“, heißt es in ihrer Erklärung.

Hintergrund sind offenbar die Probleme rund um eine neue Notunterkunft in Bergedorf. Dort verweigerten etwa 80 Flüchtlinge vergangenes Wochenende den Bezug des ehemaligen Baumarkts. Auf dem Bürgersteig vor der Unterkunft schlugen sie daraufhin ein Protestcamp auf. Erst nachdem der Zustand der Unterkunft kontinuierlich verbessert wurde, brachen die Flüchtlinge ihr Protestcamp ab. Doch nur wenige Tage später gab es den nächsten Vorfall: In der überfüllten Unterkunft kam es gleich an zwei Tagen in Folge zu Auseinandersetzungen zwischen den Flüchtlingen.

Zu Massenunterkünften gäbe es derzeit keine Alternative, räumen auch die f&w-Mitarbeiter ein. Aber: „Die prekären Unterbringungsbedingungen müssen ein definiertes Ende haben.“ Nach den Kriegen in Afghanistan und in der arabischen Welt sei es voraussehbar gewesen, dass immer mehr Menschen nach Hamburg fliehen. Es habe zu lange gedauert, „bis die Sorge um die Flüchtlinge und die Auswirkungen ihres Elends auf unsere Gesellschaft die Spitzen der Politik erreichten und in Handlungen übersetzt wurden.“ Außerdem fehle ein strategisch angelegtes Gesamtkonzept für die öffentliche Unterbringung von der Aufnahme bis zur Integration in Mietwohnraum.

Aus der Sozialbehörde heißt es, dass es zu wenige Sozialarbeiter gäbe. Zwar stellt fördern und wohnen nach eigenen Angaben derzeit acht bis zehn Personen pro Woche neu ein. Doch das sei immer noch zu wenig. „Wir können die Standards, die wir wollen, nicht mehr einhalten“, sagt Sozialbehördensprecher Marcel Schweitzer.

Außerdem herrscht ein großer Stau im Unterkunftssystem. In den Unterkünften würden schon seit Jahren tausende Flüchtlinge und Obdachlose leben, die längst Wohnungen hätten beziehen können. Für sie müssten Wohnungen gebaut und Leerstände nutzbar gemacht werden. Das städtische Wohnungsunternehmen Saga GWG fordern die Unterzeichner auf, jetzt seine Leerstände zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus sei der Bau von 10.000 zusätzlichen Sozialwohnungen innerhalb von zwei Jahren notwendig. Die Stadtentwicklungsbehörde hat bereits erste Schritte eingeleitet. Noch in diesem Jahr soll mit dem Bau von etwa 5000 Sozialwohnungen begonnen werden. Möglich wird dies durch ein neues Gesetz: Ohne langwidrige Bebauungsplanverfahren können Unterkünfte nun ausnahmsweise auch in Gewerbegebieten zugelassen werden. Außerdem können in Hamburg ab sofort leer stehende Gewerbeimmobilien beschlagnahmt werden, um Flüchtlinge unterzubringen. Die Bürgerschaft hat ein entsprechendes Gesetz verabschiedet.

Bei aller Kritik an den aktuellen Notmaßnahmen stellen die Unterzeichner aber auch klar: „Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und wir selbst sind dennoch weiterhin hoch motiviert, wenn es um Hilfen für jene Menschen geht, die auf Unterbringung angewiesen sind.“

Text: Jonas Füllner
Fotos: Erich Heeder