Gedichte sind aus der Zeit gefallen? Nicht bei Frieder Bachteler: Der ehemalige Schulleiter veranstaltet Abende unter dem Motto „Poesie & Piano“ – mit Erfolg und für den guten Zweck.
Ob er sich erinnern könne, was damals, als er jung war, den ersten Funken geschlagen hat für seine große Liebe? Da muss Frieder Bachteler lächeln. Er wisse noch, dass er „als Schüler Schillers ,Glocke‘ auswendig gelernt hat – freiwillig“. Später, als junger Referendar, habe er im Lehrerkreis Gedichte vorgetragen, „das ist gut angekommen.“ Und seine Frau erinnere sich, dass er sie auf der Rückfahrt von ihrer ersten großen Reise „mit Gedichten traktiert hat: Sie sagt, sie habe es gemocht.“ Der Klang der wohlgewählten Worte, die Schönheit der Reime, das Spüren nach tiefem Sinn: All das hat diesem Mann, der von sich sagt, er sei „ein 68er und immer politisch und sozial engagiert gewesen“, sein Leben lang Seele gegeben. Und Format.
Willkommen in Nienstedten, ein gemütliches Reihenendhaus am Ende einer Sackgasse. Frieder Bachteler führt uns hinein – ein großgewachsener, drahtiger Mann, der deutlich jünger wirkt als die 77 Jahre, die er auf dem Papier alt ist. Sofort traut man ihm sein zweites großes Hobby zu: mit dem Rad auf Fernfahrt unterwegs zu sein. Noch im vergangenen Jahr war er von Hamburg nach Sofia auf Tour, 2300 Kilometer. Was aber sofort auffällt, ist seine schöne, auf angenehme Art kraftvolle Stimme: kein Boss, der alle übertönt, aber jemand, der sich sofort Gehör verschaffen kann, wenn er das Wort ergreift.
Ein Talent, das ihm bei seinen guten Taten entgegenkommt: Seit 2005 veranstaltet der ehemalige Schulleiter der Geschwister-Scholl-Stadtteilschule Osdorf mehrmals im Jahr gemeinsam mit Freund Hajo Sassenscheidt am Klavier öffentliche Gedichtabende. Das Motto: „Poesie & Piano“. Es seien eher fröhliche zwei Stunden, sagt Bachteler, überbordende Tristesse will er unbedingt vermeiden. Der Eintritt ist frei, aber immer wird gesammelt für einen guten Zweck. Im November vergangenen Jahres im Bürgerhaus Bornheide in Osdorf auch für Hinz&Kunzt, vor rund 200 Zuhörer:innen. Mehr als 1500 Euro sind zusammengekommen.
Es gibt viel zu erzählen über Frieder Bachteler: Lehrer für Französisch und Russisch. Macher der Osdorfer Stadtteilzeitung „Westwind“. Osteuropafreund, ein Jahr in Moskau gelebt und dort die tiefe Bindung der Russ:innen zu ihren Nationa-dichter:innen aufgesaugt, etwa an Puschkins Todestag: „Da stehen die Menschen an seinem Grab und rezitieren seine Gedichte.“ Den Abend für Hinz&Kunzt hat er unter das Thema „Frauen“ gestellt und überwiegend Werke von Dichterinnen vorgetragen: Neben Brecht, Heine und Gernhardt zählt schließlich auch Mascha Kaléko, eine deutsche Dichterin zu Zeiten der Weimarer Republik, zu seinen Lieblingen. „Frauen hatten es in der Dichtung immer schwer, sich Gehör zu verschaffen, sie wurden wenig gefördert und viel seltener gedruckt.“ Ein Herz für Schwächere und Benachteiligte – da wird aus Poesie gelebtes soziales Engagement.
Poesie & Piano