Detlef Maiwald ist Binnenschiffer auf der Elbe. Ein Mann, der mit der Zeit geht und viel Geld in die Zukunft auf dem Wasser investiert
(aus Hinz&Kunzt 183/Mai 2008)
Für 4,5 Millionen Euro hat sich Detlef Maiwald ein hochmodernes Binnenschiff bauen lassen. Die TMS Cascade ist einer der ersten Doppelhüllentanker im Hamburger Hafen – und das Zuhause der Familie Maiwald.
Mit den Containerriesen, die den Hamburger Hafen ansteuern, kennen sich eine Menge Leute aus, aber von Binnenschiffen hat kaum jemand Ahnung, meint Ilona Maiwald. Neulich wurden sie und ihr Mann Detlef wieder einmal gefragt, wo sie auf die Toilette gingen und dass sie sicher froh wären, am Wochenende zu Hause sich selbst und ihre Wäsche „mal wieder ordentlich“ waschen zu können. „Die meisten denken immer noch, dass wir uns aus Eimern waschen“, sagt Ilona Maiwald.
Dabei leben die Maiwalds nicht nur an Land in ihrem Haus in Winsen hochmodern. Im Bauch der nagelneuen TMS Cascade hat die Familie eine Wohnung vom Feinsten: große offene Küche mit Wohnzimmer, ein Elternschlafzimmer und jeweils ein Zimmer für die Kinder – mit Fernsehen und Computer. Natürlich mit einem Badezimmer und einer Waschmaschine. Nebenan wohnen die beiden Matrosen, jeder in einem eigenen Appartement.
Ilona Maiwald reagiert mit Unverständnis, wenn Landratten deutlich machen, dass sie keine Ahnung vom Leben auf dem Tanker haben, der derzeit hauptsächlich zwischen Hamburg und Brunsbüttel pendelt.
Allerdings hatte die Justizbeamtin früher mit Binnenschifferei „nichts am Hut“. Als sie ihren Liebsten zum ersten Mal an Bord besuchte, dachte die damals 26-Jährige: „Nie wieder!“ Es gab keine sichere Gangway, stattdessen sollte sie sich bäuchlings auf einen Balken mit Holzbrett legen und sich abstoßen. Der Balken schwang rüber zum Schiff, „wo ich im Stockdunklen an Bord klettern musste“.
20 Jahre ist das her. Ilona Maiwald lacht, wenn sie ihre Startschwierigkeiten beschreibt. Sie kam wieder und blieb. Bekam mit Detlef die Zwillinge Franziska und Lukas (15). Die Familie führt ein Leben zwischen Land und Wasser.
Unter der Woche lebt sie mit den Zwillingen im Familienhaus in Winsen, am Wochenende gehen die drei zu Vater Detlef an Bord.
Richtig in Fahrt gerät Ilona Maiwald, wenn sie über die wirtschaftliche Bedeutung der Binnenschifffahrt spricht: „Auf unser Schiff passt die Ladung von 110 Lastwagen“, sagt sie. „Damit sind wir sogar eine Alternative zur Bahn, aber das wird viel zu wenig genutzt.“ Die Binnenschiffer sind schwer enttäuscht von der Politik. Im vergangenen Jahr hatte Bundesverkehrsminister Tiefensee angekündigt, dass „der umweltfreundliche Verkehrsträger Wasserstraße gestärkt“ werden soll. Aber gerade wurde ein neuer Masterplan zum Güterverkehr vorgestellt, bei dem die Bahn wieder das Rennen macht.
Jammern ist aber nicht die Sache der Maiwalds. Im Gegenteil. Detlef Maiwald ist ein Mensch, der nach vorn guckt. „Es hilft kein Wurschteln, kein Jammern. Wir dürfen nicht nur Schiffsführer, sondern müssen auch Unternehmer sein“, ist sein Credo.
Wie jetzt mit der TMS Cascade. Das neue Schiff kostete 4,5 Millionen Euro. Eine riesige Summe. Aber er ist sich sicher, dass er genügend zu tun bekommt. Seit Jahren arbeitet er schon mit dem Schiffsmakler Fluvia zusammen, der Aufträge von Mineralölfirmen ranholt. Für die nächsten fünf Jahre sind die Aufträge unter Dach und Fach. Das hat Vorteile, weil es Sicherheit bedeutet. Aber Maiwald hätte es auch okay gefunden, wenn Fluvia nicht so langfristige Verträge hätte: „In dem Zeitraum werden die Frachtraten natürlich auch nicht höher“, sagt er.
Den Neubau sieht er als gute Investition in die Zukunft, zum richtigen Zeitpunkt. „Ich müsste zwar erst in ein paar Jahren umrüsten, aber ich habe keine Lust, so hohe Schulden zu machen, wenn ich 50 bin.“ Außerdem hätte er später für einen Einhüllentanker „keinen Cent“ mehr bekommen, weil die aus Sicherheitsgründen absehbar nicht mehr fahren dürfen.
Den Auftrag vergab er im Dezember 2005 an die Schiffswerft Ebert in Neckarsteinach. Wie die Maiwalds ein Traditionsunternehmen: „Die bauen seit 200 Jahren Binnenschiffe.“ Nach Vorgaben Maiwalds wurden die Baupläne entwickelt. Das Schiff darf beispielsweise nicht länger als 100 Meter sein, damit es noch ins Schiffshebewerk Scharnebeck passt. Und nicht höher als 5,20 Meter, damit es unter den Brücken durchfahren kann. Der Bug durfte nicht spitz sein, sondern sollte geeignet fürs Anschieben anderer Schiffe.
Gebaut wurde der Rumpf, auch Kasko genannt, auf einer Partnerwerft der Neckarsteinacher in der Ukraine. Weil es dort billiger ist, natürlich. Eine Arbeitsstunde kostet dort statt 30 nur drei Euro.
Die Kilija Werft am Donaudelta ist „an sich eine ganz moderne Werft, zumindest, was die Anlagen anbelangt“, findet Maiwald, der in die Ukraine fuhr, um wenigstens ein paar Tage beim Bau seines Schiffes dabeizusein. „Das hatte ich so nicht erwartet.“ „Gewöhnungsbedürftig“ war allerdings, dass „Arbeitsschutz so eine Art Fremdwort“ ist. „Helme gab’s, aber so gut wie niemand hatte Arbeitsschuhe an.“ Viele arbeiteten in Turnschuhen, „einen habe ich sogar in Filzpantoffeln gesehen“.
Das war aber nicht der Grund, warum das Schiff nicht rechtzeitig fertig wurde. „Es gab Lieferengpässe, weil plötzlich eine so große Nachfrage nach Stahl war“, so Maiwald. Im November 2006 sollte das Schiff geliefert werden. „Ich hatte schon einen Puffer eingebaut, und mein altes Schiff erst zum 1. Januar 2007 verkauft“, sagt Maiwald. Aber die Cascade wurde erst im September 2007 ausgeliefert. „Das bedeutete: Wir hatten die ganze Zeit über keine Einnahmen und mussten von unseren Ersparnissen leben.“
Wie gesagt: Maiwald ist keiner, der jammert. „Wir hätten auch vom Auftrag zurücktreten können“, sagt er. Vielleicht hätte sich die Werft sogar gefreut. Der Stahlpreis war in der Bauzeit um rund 30 Prozent gestiegen. „Die Cascade hätte man also viel teurer verkaufen können.“ Insofern, findet Maiwald, hat er sogar noch Glück gehabt: „Hätte ich mein Schiff später bestellt, wäre ich mit 4,5 Millionen Euro nicht hingekommen.“
Die Cascade ist ein Meilenstein in der Familiengeschichte. „Das ist der erste Neubau in unserer Familie seit 1927“, sagt der 42-Jährige, der in fünfter Generation Binnenschiffer ist. Der letzte Neubau der Familie, die „Clara Hildegard“, wurde damals auf einer Werft in Havelberg gebaut. Um die 20.000 Mark soll sie gekostet haben. Anfang der 70er-Jahre hat sie noch Kies auf die Baustelle der Köhlbrand-brücke transportiert.
Maiwalds Großeltern fuhren noch „kreuz und quer durch Europa“ und sein Vater war „in ganz Deutschland unterwegs“. „Für ihn war das Schiff die Heimat“, sagt Detlef Maiwald. Bei ihm selbst ist es ähnlich.„Entweder ich fühle mich irgendwo wohl oder nicht, und wenn ich mich nicht wohlfühle, ist es auch nicht schlimm, dann bin ich ja bald wieder weg.“
Bei seinen Kindern Franziska und Lukas ist das anders. Für die beiden ist Winsen eindeutig ihr Zuhause. „Wir haben auch immer darauf geachtet, dass die Kinder vor allem an Land klarkommen“, sagt Ilona Maiwald. Die Zwillinge kommen zwar gerne an Bord, aber für Lukas steht jetzt schon fest, dass er die Familientradition „niemals“ fortsetzen wird.
Detlef Maiwald sieht das gelassen. Da fließt noch viel Wasser die Elbe runter, denkt er. „Zumal wenn Lukas merkt, dass man woanders auch arbeiten muss für sein Geld.“ Aber wenn Lukas beruflich ganz andere Wege geht, fände er das in Ordnung. Vielleicht wäre es für ihn selbst und seine Alterssicherung gar nicht das Schlechteste: „Dann verkaufen wir das Schiff irgendwann, setzen uns entspannt an den Deich und gucken zu, wie die anderen arbeiten.“