Der Senat verspricht, jedes Jahr 6000 neue Wohnungen zu bauen, 2000 davon für Geringverdiener. Doch allein bis 2013 fallen insgesamt mehr als 13.000 Sozialwohnungen aus der Preisbindung. Ersatz ist nicht in Sicht.
Wer rechnen kann, ist klar im Vorteil: Die Mietpreisbindungen für 13.234 Hamburger Sozialwohnungen laufen 2012 und 2013 aus. Das geht aus einer Senatsantwort auf eine Anfrage der Fraktion Die Linke hervor. Das heißt: mehr als 9000 Sozialwohnungen gehen verloren. Denn im gleichen Zeitraum will Blankau nur 2000 neue Sozialwohnungen pro Jahr bauen lassen.
„Das reicht vorne und hinten nicht“, sagt Eckhard Pahlke, Vorsitzender des Mietervereins zu Hamburg. Er erinnert daran, dass es in Hamburg in den 1970er-Jahren noch rund 400.000 Sozialwohnungen gab. Derzeit sind es knapp 94.000. Die Mieterschützer fordern, mindestens 8000 neue Wohnungen jährlich zu bauen, mindestens ein Drittel davon müssten Sozialwohnungen sein. Das wären dann rund 2600. Auch das reicht längst nicht, um das Defizit auszugleichen.
Dabei hält der Senat diese Drittel-Forderung bereits ein: 30 Prozent der Wohnungen bei Neubauprojekten müssen in Hamburg Sozialwohnungen sein. Kerstin Graupner, Sprecherin der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) sagt, das sei „bundesweit einzigartig“. Und dass man bedenken müsse, das so günstiger Wohnraum in „1-A-Lagen“ entstünde: „Bei jedem Neubauprojekt entstehen Sozialwohnungen – ob in Eimsbüttel, Billstedt oder Altona.“
Mieterschützer Pahlke: „Jetzt ist das Kind in den Brunnen gefallen.“
Mieterverein und Behörde sind sich einig, dass die Verantwortung für die zu erwartende Negativbilanz bei der Zahl der Sozialwohnungen bei den Vorgänger-Senaten liegt: „Wir haben schon 1992 in unserer Mitgliederzeitschrift davor gewarnt, dass der Wohnungsmarkt wegbrechen wird. Jetzt ist das Kind in den Brunnen gefallen“, sagt Pahlke. Das könne man jetzt nicht von einem Tag auf den anderen ausgleichen. „Dass diese Wohnungen jetzt aus der Bindung fallen, ist jahrzehntelang bekannt“, sagt BSU-Sprecherin Graupner.
Das Nachsehen haben die Mieter. Denn wenn eine Wohnung aus der Preisbindung fällt, ist der Vermieter nicht mehr an einen Höchstbetrag gebunden. Die Folge: Die Miete steigt. Eine der größten Vermieterinnen von Sozialwohnungen ist in Hamburg die Saga GWG. In ihrem Bestand fanden sich 2011 mehr als 41.000 öffentlich gefördert und rund 8.600 frei finanzierte mit Preisbindung. Sprecher Dr. Michael Ahrens sagt: „Saga GWG verfolgt seit Jahrzehnten eine moderate Mietenpolitik.” Er verspricht: „Wir beschränken uns auf eine Mieterhöhung von maximal 10 Prozent. Um soziale Härten gerade auch für Familien zu vermeiden, kappen wir Mieterhöhungen grundsätzlich bei absolut 30 Euro pro Wohnung.“
Mit einem Schlag kann eine ehemalige Sozialwohnung 20 Prozent teurer werden.
Bei privaten Vermietern sieht das anders aus, so Eckhard Pahlke vom Mieterverein zu Hamburg: „In der Regel werden 20 Prozent aufgeschlagen.“ Bis zu 20 Prozent innerhalb von drei Jahren: Das ist die gesetzlich zulässige Mieterhöhung, die für alle Wohnungen gilt – eben auch für ehemalige Sozialwohnungen. Ganz schön happig. Wenn eine Familie beispielsweise bislang für eine 80-Quadratmeter-Wohnung 472 Euro netto kalt bezahlt (5,90 Euro pro Quadratmeter), können daraus mit Wegfall der Sozialbindung mehr als 566,40 Euro werden.
Mehr als 40 Prozent der Hamburger Haushalte sind Paragraf-5-Schein-berechtigt. Das heißt, ihr Einkommen ist so gering, dass sie Anspruch auf eine Sozialwohnung hätten – wenn es genügend geben würde. Für 2012 und 2013 bleibt die BSU bei ihrem Ziel, jährlich 2000 neue Sozialwohnungen bauen zu lassen. Konkrete Planungen darüber hinaus gebe es nicht.
Text: SIM/BEB