Ab sofort gilt für Menschen, die direkt oder indirekt für die Stadt arbeiten, ein Mindestlohn von 8,50 Euro brutto in der Stunde. Ob den aber auch alle bekommen, will diese zunächst gar nicht überprüfen. Die Gewerkschaften finden die neue Regelung trotzdem gut.
Ab sofort verdient kein Mitarbeiter der Stadt Hamburg und der Unternehmen, die von der Stadt öffentliche Aufträge bekommen, weniger als 8,50 Euro brutto in der Stunde. So schreibt es das neue Landesmindestlohngesetz vor, das am Montag in Kraft tritt. Hamburg führt als zweites Bundesland nach Bremen eine Regelung ein, die verhindern soll, dass Menschen im Dienst der Stadt zu wenig verdienen, um davon leben zu können. 35 500 Menschen in Hamburg geht es mit ihrem Job so. Wie viele davon Beschäftigte der Stadt sind, steht nicht fest. Die Gewerkschaft Verdi rechnet mit mehreren tausend Menschen. Aber: Die bekommen jetzt nicht alle auf einen Schlag mehr Geld für ihre Arbeit.
Die Stadt ist „zuversichtlich“, dass beauftragte Unternehmen sich ans Gesetz halten
Denn gesetzlich festgeschrieben ist der neue Mindestlohn nur für direkte Mitarbeiter der Stadt und von Unternehmen, die neue Aufträge der Stadt – von der Bleistiftbeschaffung bis zur Realisierung großer Bauprojekte – entgegennehmen. Auf bereits laufende öffentliche Aufträge wirkt sich das Gesetz nicht aus. Hier sind die beauftragten Unternehmen eingeladen, entsprechende Selbstverpflichtungen abzugeben. Wie viele solcher Selbstverpflichtungen bei der für das Gesetz zuständigen Finanzbehörde schon eingegangen sind oder noch eingehen, wird laut Sprecher Daniel Stricker nicht erhoben. „Wir sind aber zuversichtlich, dass der überwiegende Teil unserer Auftragnehmer dem nachkommen wird.“ Unternehmen, die keine solche Verpflichtung abgeben, müssten „damit rechnen, dass sie bei folgenden Auftragsvergaben nicht berücksichtigt werden“.
In Bremen ergaben Kontrollen bei jedem sechsten geprüften Fall Hinweise auf Verstöße gegen das Mindestlohngesetz
Dass das als Druckmittel womöglich nicht ausreicht, legen die Erfahrungen nahe, die Bremen mit seinem seit 1. Juli 2012 geltenden Mindestlohngesetz macht: Immer wieder werde dagegen verstoßen, berichtet die Nordwestzeitung unter Berufung auf einen Bericht einer Sonderkommission des Senats. Bei 127 geprüften Aufträgen gebe es in 20 Mal, also in fast jedem sechsten Fall, deutliche Hinweise auf Verstöße.
Trotzdem loben die Gewerkschaften das neue Gesetz, vor allem als Instrument, das „in die Zukunft hineinreicht“, so Petra Heese vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) Hamburg: „Wir betrachten es als einen weiteren Schritt in Richtung bundesweiter Mindestlohn.“ Auch Wolfgang Abel, Landesbezirksleiter von Verdi Hamburg, findet die Neuerung gut: „Das ist eine vernünftige Regelung. Der Senat macht das ihm Mögliche.“ Eigentlich sei es eine Aufgabe der Bundespolitik, so Abel, die die Stadt kompensiert. Sowohl DGB als auch Verdi fordern die Einführung eines bundesweiten, branchenübergreifenden Mindestlohns. Darin sind sie sich mit Hamburgs Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) einig. „Hamburg geht mit gutem Beispiel voran“, sagt Scheele. „Ich erwarte, dass eine neue rot-grüne Regierung nach der Bundestagswahl rasch ein Gesetz auf den Weg bringen wird, das alle Beschäftigten in Deutschland durch einen gesetzlichen Mindestlohn schützt.“
In Hamburg hat mitunter schon die Debatte um die Bezahlung städtischer Mitarbeiter gewirkt. Die Stadtreinigung Hamburg geriet im vergangenen Jahr unter öffentlichen Druck, als das Abendblatt berichtete, dass das öffentliche Unternehmen teilweise Mitarbeiter von Leiharbeitsfirmen und einer eigenen Tochtergesellschaft wesentlich schlechter bezahlte als Kollegen mit den gleichen Aufgaben. Die Saubermänner gelobten Besserung – und hielten das Versprechen offenbar. Die Tochtergesellschaft Wert GmbH wurde laut Sprecher Andree Möller aufgelöst und 110 Mitarbeiter bei der Stadtreinigung angestellt. Zudem habe man 20 Leiharbeiter in feste Arbeitsverhältnisse übernommen.
Text: Beatrice Blank