Erneut haben am Donnerstag Mitarbeiter mehrerer Behörden Wanderarbeiter-Unterkünfte aufgesucht und Bewohner befragt. Der Verdacht: Überbelegung, Mietwucher und Ausbeutung. Die Aktionen richten sich nicht gegen die Opfer, beteuert die Sozialbehörde.
Zahlreiche Mitarbeiter verschiedener Behörden sind am Donnerstagmorgen zum „Einsatz gegen ausbeuterische Strukturen“ angerückt, wie die Sozialbehörde mitteilte. Polizei, Zoll und Bezirksamtsmitarbeiter kontrollierten Papiere und befragten Bewohner eines Hauses in der Humboldtstraße in Barmbek-Süd. Der Behördenverdacht: In dem Altbau werden Wuchermieten kassiert und Wanderarbeiter ausgebeutet. Zudem sollen in den acht Wohnungen mehr Menschen schlafen als erlaubt.
Hristov (Name geändert, die Red.) lebt erst seit Kurzem im Haus. Eine Zeitarbeitsfirma, erzählt der Bulgare, habe ihn nach Hamburg an eine Baufirma vermittelt. Das Doppelstockbett in einem der Räume einer Drei-Zimmer-Wohnung teilt er sich mit einem anderen Wanderarbeiter, Küche und Bad nutzen die Bewohner der Wohnung gemeinsam. Wie viele das sind und wer hinter den anderen Türen schläft, wisse er nicht, sagt Hristov. Dafür kennt er den Mietpreis: 300 Euro monatlich zahle sein Arbeitgeber für die Unterkunft. Die sei „für den Übergang okay“. Er hoffe aber schon, mithilfe seines Chefs bald eine bessere Bleibe zu finden.
In einer anderen Wohnung, deren Haustür offensteht, sitzt ein Wanderarbeiter in einem der Zimmer auf einem Bett und telefoniert. Vor den beiden Doppelstockbetten, die außerdem im Raum stehen, verteilen sich Reisetaschen und Plastiktüten. Wie wohnt es sich hier? „Serbia!“, antwortet der junge Mann auf die Frage, die er offensichtlich nicht versteht, und lächelt entschuldigend. Auch andere Bewohner, mit denen Hinz&Kunzt sprechen will, beherrschen weder Deutsch noch Englisch. Ein Vater, der mit Frau und Kindern in einer der Wohnungen lebt, lässt in bruchstückhaftem Deutsch wissen, dass „alles okay“ sei. Und dass das Amt die Miete zahle.
Ein Zimmer für 1150 Euro
Die Hamburger Morgenpost berichtet, im Erdgeschoss des Hauses hätten zwei Männer gewohnt, „so was wie Hausmeister und Geldeintreiber in einem.“ Hristov weiß davon nichts. Die Polizeipressestelle erklärte auf Hinz&Kunzt-Nachfrage lediglich, dass bei dem Einsatz zwei Männer aufgrund des Verdachts auf illegalen Aufenthalt vorläufig festgenommen wurden. Einen der Männer hat die Polizei der Ausländerbehörde übergeben, der andere ist unter der Auflage, sich bei der zuständigen Ausländerbehörde zu melden, freigelassen worden.
Einen Abendblatt-Bericht, wonach es einen Nachweis dafür gibt, dass ein Zimmer von gut 22 Quadratmetern ohne eigene Toilette für 1150 Euro vermietet wurde, konnte Sozialbehördensprecher Martin Helfrich auf Hinz&Kunzt-Nachfrage bestätigen.
„Niemand wird durch unsere Aktion obdachlos.“– Martin Helfrich, Sprecher der Sozialbehörde
Über die Geschäftemacher in der Humboldtstraße – Vermieter und Eigentümer – wollte die Behörde derweil nichts sagen. Ermittelt wird unter anderem wegen des Verdachts auf einen „illegalen Beherbungsbetrieb“. Außerdem, erklärt Behördensprecher Martin Helfrich, gehe es jetzt darum, den ordnungsgemäßen Zustand des Gebäudes, also eine Normalbelegung, wiederherzustellen. Um das zu erreichen, wird der Vermieter zunächst einmal Post vom Bezirksamt bekommen. Die Bewohner können laut Sozialbehörde erst einmal in ihren Wohnungen bleiben: „Niemand wird durch unsere Aktion obdachlos!“, betont Helfrich. Wie es für die beiden vorläufig Festgenommenen weitergeht ist allerdings unklar.
Aktionstag auch in Hausbruch
Auch am Wulmsberggrund in Hausbruch befragten Polizei und Mitarbeiter verschiedener Behörden am Donnerstagmorgen Wanderarbeiter. Sie stellten dort einen illegalen Anbau sowie einen nicht genehmigten Holzpavillon fest. Insgesamt hätten sie dort zehn Menschen angetroffen. Die Behörde vermutet hier eine „Verquickung von Arbeitgeber und Vermieter“. Möglicherweise zu Ungunsten der Beschäftigten, wie es heißt. Vermutlich werde es zu einer Nutzungsuntersagung kommen, erklärt die Behörde. Die Wanderarbeiter werden von der Servicestelle Arbeitnehmerfreizügigkeit betreut, die Arbeitnehmer aus dem EU-Ausland über ihre Rechte berät.
Insgesamt hat die Sozialbehörde nunmehr sechs sogenannte Aktionstage durchgeführt. Gegen drei Vermieter von überprüften Häusern geht die Stadt vor Gericht vor, wegen des Verdachts auf Mietwucher, falsche Quadratmeterangaben im Mietvertrag oder fehlende Nebenkostenabrechungen. Von zwei Vermietern verlangt sie zudem die Kosten für die Unterbringung von Mietern zurück.
Anmerkung der Redaktion:
In einer früheren Version des Textes hieß es: „Nur in einem Fall ist bekannt, dass die Stadt gegen eine Abzock-Vermieterin vorgeht.“ Das ist falsch. Wir haben das korrigiert und bitten den Fehler zu entschuldigen.