Mieterverein : „Änderung des Mietrechts völlig daneben“

Der Bundestag beschloss Mitte Dezember mit den Stimmen von CDU/CSU und FDP eine Änderung des Mietrechts. Siegmund Chychla vom Mieterverein erklärt, was sich jetzt ändert und wie er die Neuerungen bewertet.

 

Siegmund Chychla vom Mieterbund zu Hamburg bewertet für uns das neue Mietrecht.

Mietminderungsstopp bei energetischen Sanierungen
Wenn der Eigentümer an seinem Haus energetische Sanierungen vornimmt, hat der Mieter drei Monate lang kein Recht die Miete zu mindern. Das darf er nämlich eigentlich, wenn er durch Baustellenlärm oder –schmutz eingeschränkt ist – oder etwa die Heizung ausfällt. 

„Diese Regelung ist völlig daneben“, sagt dazu Siegmund Chychla vom Mieterverein zu Hamburg. „Alleine schon deshalb, weil sie Grundrechte des Mieters betrifft. Im ganzen Bürgerlichen Gesetzbuch gibt es keine Grundlage dafür, dass jemand bezahlen soll, obwohl er nichts bekommt. Wenn etwa die Heizung wegen Bauarbeiten ausfällt, ist die Wohnung mitunter nicht bewohnbar – der Mieter muss aber trotzdem zahlen.

Bei Instandsetzungen darf die Miete weiterhin gemindert werden. Nun wird es also wieder zu langwierigen und teuren Streitigkeiten zwischen Vermietern und Mietern kommen, was denn nun der Fall ist. Mit der letzten Mietrechtsreform 2001 wurde erreicht, dass solche Streitigkeiten zurückgehen. Das macht man nun zunichte.

Und das alles zugunsten einer sinnlosen Änderung. Denn was der Gesetzgeber erreichen will – dass Vermieter nicht aus Angst vor finanziellen Einbußen auf Sanierungen verzichten – erreicht er so nicht. Ein Rechenbeispiel: Eine 70-Quadratmeter-Wohnung energetisch zu sanieren kostet 20.000 Euro. 11 Prozent darf der Vermieter auf den Mieter umlegen, also 2200 Euro im Jahr, 183 Euro im Monat. Eine Mietminderung von schätzungsweise 300 Euro in den ersten drei Monaten der Bauarbeiten könnte ihn von so einer großen Investition doch gar nicht abhalten. Diese Neuregelung ist ein Leckerchen für die Wohnungswirtschaft, bringt aber unterm Strich nichts.“

Zwangsräumungen sind im einstweiligen Verfahren möglich
Bisher brauchte ein Vermieter einen Gerichtsentscheid, um einen Mieter nach einer Kündigung aus seiner Wohnung zu räumen, wenn dieser nicht freiwillig auszog. Das ist jetzt anders: Auch eine einstweilige Verfügung reicht dazu aus.

„Damit will man sogenannten Mietnomaden begegnen“, sagt Mietrechtsexperte Chychla. Das ist aus unserer Sicht allerdings völlig unverhältnismäßig: 24 Millionen Mieter werden stigmatisiert wegen einiger Hundert solcher Fälle in den vergangenen Jahren. Hier wird mit Kanonen auf Spatzen geschossen.

Den Schaden haben die Mieter: Sollte der Vermieter im Unrecht sein, hat ein geräumter Miete trotzdem keine Chance, in die Wohnung zurückzukehren. Sie wird bis zur Klärung im Normalfall wieder vermietet sein.

Das Problem ist nicht das geltende Recht, sondern dessen Umsetzung. Auch bisher gab es Möglichkeiten, schnell gegen Mietnomaden vorzugehen. Doch die Bearbeitung bei den Gerichten dauert zu lange. Würde schneller terminiert, würde auch schneller entschieden. Eine unnötige Gesetzesänderung zum Nachteil der Mieter.“

Fristlose Kündigung, wenn die Kaution nicht rechtzeitig bezahlt wird

„Wir finden, das ist eine überflüssige Verschärfung“, sagt dazu Siegmund Chychla. „Die Kaution zu bezahlen, dazu ist ein Mieter gesetzlich verpflichtet. Und wer schon die Kaution nicht zahlt, wird auch kaum die Miete aufbringen. Und wer die Miete nicht zahlt, dem kann schon nach dem ersten Monat gekündigt werden.“

 

Mieterhöhungen können auf 15 Prozent binnen drei Jahren begrenzt werden.
Bisher und auch weiterhin gilt generell: Der Mietpreis für eine Wohnung darf innerhalb von drei Jahren bis zu 20 Prozent erhöht werden. Dabei darf die ortsübliche Vergleichsmiete nicht überschritten werden. Durch die Gesetzesänderung können die Länder jetzt bestimmte Stadtteile oder Städte bestimmen, in denen die Erhöhung nicht mehr als 15 Prozent in drei Jahren betragen darf.

 „Das ist die einzig positive Veränderung“, sagt dazu Siegmund Chychla. „Nicht weil das eine bahnbrechende Änderung ist, sondern weil alle gesetzlichen Regelungen, die den starken Mietenanstieg bremsen, positiv sind.

Wir fordern für Hamburg, dass auf Landesebene zu Beginn nächsten Jahres entsprechende Maßnahmen getroffen werden. Sie müssen vor den Erhebungen für den nächsten Mietenspiegel schon zur Anwendung kommen, also im März oder April 2013. Die Neuerung muss für die ganze Stadt gelten, schließlich ist auch die ganze Stadt von Mietpreisüberhöhungen betroffen. Der Senat kann jetzt zeigen, dass er es ernst meint, indem er die 15 Prozent sofort verbindlich macht.

Die Gesetzesänderung trifft aber nicht den Kern des Problems, und das sind die Mieten bei Neuvermietungen. Zur Zeit werden in manchen Stadtteilen Wohnungen zu Preisen vermietet, die das doppelte der ortsüblichen Miete betragen. Dem kommt man so nicht bei. Das hat der Gesetzgeber völlig ausgeblendet.“

Betreffen die Änderungen mich und mein Mietverhältnis?

Der Passus, der Mietminderungen bei energetischen Sanierungen verbietet, betrifft potentiell alle Mieter, deren Wohnungen nicht schon entsprechend saniert sind. Ob ein Hauseigentümer energetische Sanierungen vornimmt, wird vom neuen Gesetz allerdings kaum beeinflusst werden. Der Mieterverein zu Hamburg rät, bei Bauarbeiten sicher zu gehen, ob es sich um energetische Sanierungen oder Instandsetzungsarbeiten handelt. Denn bei letzterem gilt das Recht zur Mietminderung nach wie vor.

Wer seine Mietzahlungen wegen Wohnungsmängeln kürzt oder ganz streicht, sollte sich dabei von Experten etwa eines Mietervereins beraten lassen. Denn wenn der Vermieter daraufhin den Mietvertrag kündigt, kann er im Zweifelsfall schneller als bisher eine Zwangsräumung erwirken – und zwar unabhängig davon, wer das Recht auf seiner Seite hat. Denn das wird ja erst im Nachhinein vor Gericht geklärt werden.

Von der Gesetzgebungskompetenz, die der Bund den Ländern in Sachen Mietsteigerungen zugestanden hat, profitiert unmittelbar niemand. Erst müssen die Bundesländer entsprechende Gesetze erlassen. Diese haben dann den beschriebenen Einfluss auf Bestandsmieten. Allerdings wirkt sich das nur in zwei Fällen wirklich aus, so Siegmund Chychla: „Interessant ist das zum einen für Wohnungen, die aus der Sozialbindung fallen. Deren Mieten werden erfahrungsgemäß sofort erhöht, und zwar so hoch es geht. Der zweite Fall: Wenn die Miete für eine Wohnung 20 Prozent unter dem Mietenspiegel liegt, weil der Vermieter ein netter Mensch ist. Wenn der jetzt die Wohnung an einen Investor verkauft, der mehr Profit will, kann dieser die Miete nur noch um 15 statt 20 Prozent auf einen Schlag erhöhen. Die Preise für alle anderen Wohnungen werden von Vermietern sowieso kontinuierlich erhöht und mit dieser Regelung auch nicht wesentlich begrenzt.

Siegmund Chychlas Fazit:

„Die Rechte der Eigentümer werden gestärkt, die von Mietern beschnitten. Es ist eindeutig. Diese Gesetzesänderung ist Geld, das die Vermieterpartei FDP der Wohnungswirtschaft schenkt. Unterm Strich lässt sich sagen: Die Reform ist überflüssig und falsch.“

Ausblick: Sind echte Verbesserungen für Mieter in Sicht?

Der Hamburger SPD-Senat hat für das kommende Jahr zwei Gesetzesinitiativen angekündigt. Er will sich im Bundesrat dafür einsetzen, dass die Mieten bei Neuvermietungen höchstens 20 Prozent über dem Mietenspiegel liegen dürfen und bei Maklercourtagen das sogenannte Bestellerprinzip festschreiben. Das heißt, dass Immobilienmakler von dem bezahlt werden sollen, der ihn beauftragt.

„Beide Initiativen finden wir gut und wichtig“, sagt dazu Siegmund Chychla. Dass sie auch bald umgesetzt werden, daran glaubt er allerdings nicht: „Schaut man sich die Machtverhältnisse in Berlin (Mehrheiten für CDU/CSU und FDP in Bundesrat und Bundestag, Anm. d. Red.) an, kann man sich ausrechnen, dass das erstmal kaum etwas wird.“

Protokoll: Beatrice Blank
Fotos: BEB, Mieterverein zu Hamburg