Sie leben zu überhöhten Mieten in einem heruntergekommenen Haus in Bergedorf. Nun ist den Bewohnern auch noch das Wasser abgestellt worden – weil die Vermieterin die Rechnung nicht zahlt.
Jetzt ist auch noch das Wasser weg. Einen Monat nach dem „Aktionstag Sozialleistungsmissbrauch“ gegen die Vermieterin des Hauses am Reetwerder 3 in Bergedorf können die mehr als 100 Bewohner weder Duschen noch die Toilettenspülung benutzen.
Am 22. März hatten Jobcenter, Sozialbehörde und Bezirksamt Bergedorf mit Unterstützung der Polizei die Wohnungen in dem heruntergekommenen Haus kontrolliert, sie suchten unter anderem nach Baumängeln und überbelegten Zimmern. Schließlich waren in 63 Zimmern zuletzt 139 Erwachsene und 61 Kinder gemeldet. 26 Bewohner mussten anschließend aus dem Haus ausziehen – wer wollte, dem stellte die Stadt eine Unterkunft.
Hamburg Wasser sieht zunächst „keinen Handlungsspielraum“
Das Wohl der Bewohner ist der Vermieterin, die das Haus verfallen ließ, offenbar egal. Nun hat sie Rechnungen für die Wasserversorgung nicht bezahlt. Der Versorger Hamburg Wasser habe ihnen mitgeteilt, dass erst nach drei bis vier Wochen wieder Wasser fließen werde, berichten Bewohner gegenüber Hinz&Kunzt.
Sie sind der Situation ausgeliefert. Man habe keinen Handlungsspielraum, ihnen zu helfen, sagt zunächst die Sprecherin von Hamburg Wasser, Janne Rumpelt: „Unser Vertragsverhältnis besteht mit der Vermieterin“, sagt sie. Grundsätzlich bestünde zwar die Möglichkeit einer Einzelabrechnung mit den Mietern. „Die muss aber extra durch die Vermieterin beantragt werden.“
„Man kann die Leute doch da nicht verdursten lassen!“– Siegmund Chychla, Mieterverein
Die Sozialbehörde, unter deren Federführung der Aktionstag stattgefunden hatte, rät den Bewohnern, sich an den Mieterverein zu wenden. Vorsitzender Siegmund Chychla reagiert ungehalten: „Man kann die Leute doch da nicht verdursten lassen!“ sagt er und fordert eine unbürokratische Lösung.
Geht doch: unbürokratische Hilfe für die Bewohner
Nach einem Tag ohne Wasser kommt die tatsächlich auch: Das Wasser ist am Freitagnachmittag wieder angestellt worden. Das Bezirksamt Bergedorf übernimmt die Kosten zunächst für eine Woche und stellt sie der Vermieterin in Rechnung. Und danach? „Da müssen wir die Entwicklungen der kommenden Woche abwarten“, sagt ein Bezirkssprecher.
Erstmal können die Bewohner jedenfalls aufatmen. Doch dieser Vorfall sagt viel aus über die Verhältnisse, in denen sie leben. In dem Haus am Reetwerder wohnen vor Allem Arbeitsmigranten aus Osteuropa mit ihren Familien, die auf dem Hamburger Wohnungsmarkt keine vernünftige Bleibe finden. Sie zahlen überhöhte Mieten und sind froh, nicht auf der Straße schlafen zu müssen. Das Haus ist für sie besser, als gar keine Unterkunft zu haben. Deshalb nehmen viele die desolaten Zustände dort hin. Weitere Informationen dazu finden Sie in der Mai-Ausgabe von Hinz&Kunzt, die am Montag erscheint.