20 Beratungsstellen und Frauenhäuser fordern in einem Appell Unterkünfte für Menschen ohne sicheren Aufenthaltsstatus. Sozialarbeiter* Marian Laue vom Kirchenkreis Hamburg-Ost erklärt die Hintergründe.
Hinz&Kunzt: Sie wünschen sich Notunterkünfte, die man anonym nutzen kann. Was spricht dagegen, seine Personalien anzugeben, wenn man staatliche Hilfe in Anspruch nehmen möchte?
Marian Laue: In vielen Unterkünften muss man nach wenigen Tagen klären, wer die Kosten übernimmt. Das ist ein Problem, wenn man keine Sozialleistungen bekommt, so wie viele EU-Bürger:innen, oder wenn jemand keine gültigen Ausweispapiere hat und mit der Abschiebung rechnen muss, sobald er sich bei einer Behörde meldet.
Aber dass der Staat wissen möchte, mit wem er es zu tun hat, ist doch verständlich. Wieso sollte die Stadt Menschen unterbringen, die hier kein Aufenthaltsrecht haben?
Aus ordnungspolitischer Sicht würde ich Ihnen zustimmen. Aber wir schauen uns das aus menschenrechtlicher Sicht an. Wir sprechen von Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen hierbleiben werden, kein Dach über dem Kopf haben. Sie haben dadurch ein hohes Risiko, Gewalt zu erleben, und können ohne sicheren Schlafplatz oft auch keine vernünftige medizinische Versorgung erhalten.
Sie sprechen in Ihrem Appell auch Familien mit Kindern an, die besonders gefährdet seien. Wo gehen die hin, wenn sie Schutz brauchen?
Manche Arbeitgeber:innen, die Menschen ohne Arbeitsvertrag beschäftigen, vermieten für viel Geld ein Bett im Warenlager. Häufig kommen sie auch unter sehr prekären Bedingungen bei Bekannten unter, in Gartenlauben, Autos oder überfüllten Zimmern. All das birgt Gefahren: Wenn zum Beispiel die Person, bei der du übernachtest, gewalttätig ist, aber deine Alternative die Straße ist, hast du ein Problem.
In Hamburg gibt es sieben Frauenhäuser, die Ihren Appell ebenfalls unterschrieben haben. Können die nicht helfen?
Die Frauenhäuser sind die richtige Anlaufstelle für Frauen, die hier vor Ort von häuslicher Gewalt betroffen sind, unabhängig vom Aufenthaltsstatus. Aber es gibt Menschen, die aus einem anderen Land vor häuslicher Gewalt fliehen und damit nicht zur Zielgruppe von Frauenhäusern gehören. Auch Männer, die von Gewalt betroffen sind, gehören nicht dazu.
Haben Sie ein konkretes Beispiel?
Ich habe eine junge Mutter beraten, die von ihrem gewalttätigen Ehemann in Südosteuropa eingesperrt wurde. Sie ist mit ihrem Kind nach Hamburg geflohen und kam verletzt hier an. Aber da ihr Land als sicherer Herkunftsstaat gilt, wussten wir, dass sie ohne gute Beratung über ihre Rechte vermutlich innerhalb von einer Woche abgeschoben worden wäre, wenn sie zur Erstaufnahme gegangen wäre. Sie brauchte medizinische Versorgung und einen Ort, an dem sie und ihr Kind zur Ruhe kommen konnten. Wir konnten mit Spendengeldern für ein paar Wochen ein Hotelzimmer finanzieren, bis sie mit Unterstützung einer Rechtsberatung einen Antrag auf Asyl gestellt hat.
Außerdem sprechen Sie von Betroffenen von Menschenhandel, die anonyme Unterkünfte bräuchten.
Bislang fallen männliche Betroffene von Menschenhandel durchs Raster. Anfang des Jahres wurde uns ein Fall von mehreren Männern bekannt, die über Monate hinweg systematisch ausgebeutet wurden. Ihnen wurden von einem Hamburger Arbeitgeber alle Dokumente weggenommen und er hat die Familie im Herkunftsland bedrohen lassen. Diese Menschen hatten nach der Aufdeckung keine Unterkunft. Das muss sich ändern.