Während der „Vendor Week“ unseres internationalen Netzwerkes INSP präsentieren wir Verkäufer anderer Straßenzeitungen. Heute stellen wir Mellie aus Seattle vor.
Zwei Wochen vor meinem 19. Geburtstag wurde ich in Shoreline, an der Kreuzung 15te und 147te von einem Auto angefahren. Alles was ich weiss, ist, dass ich in dem Moment über die Straße ging und im nächsten Moment mein Gesicht auf die Windschutzscheibe traf. So schnell ging das.
Sie brachten mich ins Krankenhaus und sagten mir, dass ich Gedächtnisverlust habe. Ich hatte eine Gehirnerschütterung, ein paar Verletzungen im Gesicht und mein Knie war angeschlagen. Aber am nächsten Tag konnte ich schon wieder herumlaufen.
Ich wurde einfach wieder entlassen. Und saß den ganzen Weg bis nach Shoreline in der bitteren Kälte im Krankenhauspyjama im Bus, weil sie meine Kleidung aufschneiden mussten.
Meine Mutter wurde darüber informiert, dass ich von einem Auto angefahren worden bin, kam mich aber nicht besuchen. Sie saß lieber zu Hause rum und hat ihre Drogen genommen. Ich dachte nur irgendwie: “OK. Wow.”
Ich habe die Highschool 1997 beendet. Ich hatte keine Freunde in der Highschool und war immer allein. Ich war sehr gut in der Schule. Mathe war meine Stärke, am besten war ich in Physik.
Danach, von 1998 bis 2006, war ich völlig verloren. Meine Mutter hatte mich rausgeschmissen und ich lebte auf der Straße. Ich nahm viele Drogen. 2004 habe ich zwar eine Unterkunft bekommen. Aber ich kann mich nicht mehr an den Einzug erinnern. Ich habe keine Erinnerung daran, wie ich von der Obdachlosen zur Wohnenden wurde.
Leute haben mir hier und da etwas von diesen verlorenen Jahren erzählt. Ich bin umhergeirrt und suchte nach Hilfe. Ich kann mich einfach nicht erinnern. Ich war weg. Ich kann mich nicht einmal daran erinnern, wie ich meine Tochter geboren habe. Sie ist jetzt 16. Ich hab eine Menge durchgemacht.
Ich bin eine ex-Drogenabhängige und trockene Alkoholikerin. Ich war einfach zu fertig, um mich mit den Dingen aus meiner Kindheit auseinanderzusetzen. Ich dachte, ich müsste mich betäuben. Ich bin jetzt seit 19 Jahren sauber und trocken. Ich habe eingesehen, das sich mit Drogen zu vollzupumpen, das Problem nicht beseitigt. Die werden immer noch da sein, wenn du wieder nüchtern bist.
Real Change verkaufe ich wohl seit 2000. Ich erinnere mich an Sid, die Bürokatze. Ich habe dann für eine Weile aufgehört zu verkaufen und bin 2014 zurückgekommen. Ich lebe jetzt in einer Sozialwohnung und zahle ein Drittel meines Einkommen für die Miete. Meine Sozialleistungen für meine Behinderung sind monatlich 733 Dollar und ich muss davon die Rechnungen zahlen. Ich bekomme nicht viel Unterstützung in Bezug auf Essenmarken.
Durch den Verkauf von Real Change habe ich Geld für Essen und Sachen wie Toilettenpapier. Der Verkauf ermöglicht mir, die Karten für die Waschmaschine aufzuladen.Real Change hilft mir also alle meine Rechnungen zahlen zu.
Ich bin jemand der wieder aufsteht, wenn es ihn umgehauen hat. Ich bin stark.– Mellie
Real Change zu verkaufen bedeutet für mich jeden Morgen aufzustehen und sich darauf zu freuen meine Kunden zu sehen. Sie sind der Grund, warum ich rausgehe. Meine Kunden berühren mich im Herzen. Sie sehen mich als Verkäufer, als eine Person die arbeitet.
Es geht nicht um mich, es geht um die Kunden. Es geht darum einen Unterschied zu machen und das sie die Hand auszustrecken um mir zu helfen und die Zeitung zu kaufen. Ich lerne sie als Menschen kennen. Ich stehe nicht nur herum und sag „Hi“ und „Tschüss“. Ich lerne sie kennen.
Real Change hat mich aufgenommen und mir geholfen mich im Leben dahin zu bringen, wo ich sein muss. Teil davon ist es Selbstvertrauen zu haben, Verantwortung zu übernehmen. zuverlässig zu sein. Es geht um gegenseitigen Respekt.
Das ist der Anfang. Genau hier. Du musst irgendwo anfangen. Ganz unten. Wenn du oben anfängst, brichst du irgendwann zusammen. Bis vor zwei Jahren hab ich viel Zeit verschwendet. Ich habe einfach gar nichts gemacht. Bevor ich Real Change verkaufte, fühlte ich mich als niemand, wie Müll, den man weggeschmissen hat. Ich fühlte mich einsam, Jetzt fühle ich mich besser, langsam besser, aber es geht mir immer besser.
Übersetzt aus dem Englischen ins Deutsche von Janet Schilling.
Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Real Change/INSP.ngo.