(aus Hinz&Kunzt 241/März 2013)
Hartz IV auch für Schwangere aus der Europäischen Union
Schwangere Frauen aus anderen EU-Staaten dürfen nicht grundsätzlich und dauerhaft von Hartz-IV-Leistungen ausgeschlossen werden. Das hat das Bundessozialgericht entschieden (AZ: B 4 AS 54/12 R). Das Jobcenter hatte den Antrag einer Bulgarin mit der Begründung abgelehnt, sie halte sich allein zum Zweck der Arbeitssuche in Deutschland auf. Die Frau hatte als Kellnerin gearbeitet. Dann wurde sie schwanger und verlor deshalb ihren Job. UJO
Mehr als 600 wohnungslose Kinder in Hamburg
Mindestens 607 Hamburger Kinder, darunter 370 im schulpflichtigen Alter, leben mit ihren Eltern nicht in einer eigenen Wohnung. Das erklärte der Senat auf Anfrage der Linkspartei. 25 Familien seien in Hotels und Pensionen und 255 Familien in städtischen Unterkünften untergebracht. Diese leben laut Senat in Doppelzimmern oder seperaten Wohnungen. Die Zimmer sollen eine Größe von „mindestens 14 oder 15 Quadratmetern“ haben, mit Betten, Stühlen, Schränken, Tisch und einem Kühlschrank ausgestattet sein. Gekocht wird demnach in Gemeinschaftsküchen. „Schon für Erwachsene ist es dort kaum auszuhalten“, sagt Hinz&Kunzt-Sozialarbeiter Stephan Karrenbauer. Verheerend sei, wenn Kinder sich an die Lebensumstände gewöhnen: „Es darf nicht normal für sie werden, dort auszuharren.“ Wie viele Familien in solchen Zimmern leben, steht in der Senatsantwort nicht. BEB
Ausführliche Informationen: www.huklink.de/zuhause
Sozialbehörde schickt Zoll in die Spaldingstraße
Die Sozialbehörde hat im Umgang mit dem überfüllten Winternotprogramm eine neue Gangart eingelegt: Um angeblichen „Missbrauch“ der Notunterkunft in der Spaldingstraße aufzudecken, hat sie Ende Januar den Zoll um Amtshilfe gebeten. In Zivil gekleidete Beamte kontrollierten mehrere Tage lang Obdachlose, die die Nacht in der Unterkunft verbracht hatten, beim Verlassen des Hauses. Der Zoll habe die Personalien von 13 Personen aufgenommen, so eine Behördenmitteilung. Acht davon sollen für eine Firma aus Schwerin gearbeitet haben. Auf Nachfrage wollte der Zoll nicht mitteilen, welcher Straftaten die Behörde die Obdachlosen verdächtigt und ob sie auch gegen den Arbeitgeber ermittelt. Auch die Frage, was die Männer bezahlt bekamen, wollte der Zoll mit Hinweis auf das „spezifische Geheimnisschutzrecht ihrer Sozialdaten“ nicht beantworten. Die Notunterkünfte sind voll wie nie zuvor. Im Februar eröffnete der Senat deshalb eine weitere Unterkunft in der Schnackenburgallee. UJO
Erschreckende Kinderarmut
Neue Zahlen des Statistikamts Nord belegen eine soziale Spaltung der Stadt: So ist in Wilhelmsburg, Steilshoop und Billstedt nahezu jedes zweite Kind unter sieben Jahren auf staatliche Hilfen angewiesen. In Blankenese liegt der Anteil der hilfebedürftigen Kinder dagegen bei 1,2 Prozent. Immerhin sank die Zahl der Kinder, deren Eltern Hartz IV beziehen, in ganz Hamburg 2011 um 5,8 Prozent auf 25.700. JOF
Mehr als 500 Zwangsräumungen täglich in Spanien
Vergangenes Jahr wurden in Spanien täglich 517 Räumungsverfahren eingeleitet. Das berichteten Medien mit Verweis auf Betroffenen-Initiativen. In dem durch die Finanzkrise schwer getroffenen Land ist inzwischen jeder Vierte ohne Arbeit. Hunderttausende können die Hypotheken auf ihre Wohnungen nicht mehr bezahlen. Die Betroffenen wehren sich: Landesweit wurden in den vergangenen Monaten mehr als 100 Zwangsräumungen erfolgreich blockiert. Die Plattform der Hypothekenopfer fordert von der Regierung ein Ende der Zwangsräumungen, einen Schuldenerlass für die Betroffenen und ein staatliches Förderprogramm für Sozialwohnungen. Die regierende Partido Popular stimmte zu, die Forderungen im Parlament zu behandeln. Ausschlaggebend für die Kehrtwende der Konservativen war Medienberichten zufolge die Nachricht über den Selbstmord eines Ehepaars auf Mallorca, das sich am Tag vor der Parlamentssitzung wegen einer bevorstehenden Zwangsräumung das Leben nahm. Mehr zu Zwangsräumungen in Deutschland auf den Seiten 16 bis 23. JOF
20 Jahre Tafeln in Deutschland
Als „Brücke zwischen Überfluss und Mangel“, nicht als „Ersatz für sozialstaatliche Leistungen“ sehen sich die deutschen Tafeln. Vor 20 Jahren wurde die erste gegründet, heute nutzen 1,5 Millionen Deutsche die 906 Tafeln. UJO
Drei von vier Berechtigten nutzen Sozialkarte nicht
Nur jeder vierte Anspruchsberechtigte nutzt die sogenannte Sozialkarte für den HVV. Das ergibt die Senatsantwort auf eine Anfrage der Grünen. Der Gutschein ermöglicht Hilfeempfängern einen Rabatt von 19 Euro auf Monatskarten. Von den mehr als 220.000 Menschen (Angehörige nicht mitgerechnet) mit Anspruch auf eine Sozialkarte haben im August 2012 nur knapp 58.800 eine besessen. Hinz&Kunzt-Sozialarbeiter Stephan Karrenbauer: „Trotz Ermäßigung sind geeignete HVV-Monatskarten immer noch zu teuer.“ BEB
Mehr zur Sozialkarte und HVV-Preisen: www.huklink.de/hvv2013
Ungarn: Konservative greifen Rechtsstaat an
Die ungarische Regierung will mit ihrer Zweidrittel-Mehrheit im Parlament die Verfassung ändern und auch Obdachlosigkeit kriminalisieren. Das Verfassungsgericht hatte zuvor mehrere Gesetze der Regierung gestoppt. Im Januar hatte es entschieden, dass die „Nutzung öffentlichen Raums für Wohnzwecke“ nicht verboten sein darf. Die Befugnisse des Gerichts sollen nun beschnitten werden. BELA
Investoren bremsen Drittelmix aus
Mindestens zwei private Bauherren wollen die sogenannte Drittelmix-Regelung offensichtlich umgehen. 2011 beschloss der Senat, bei neuen Bebauungsplänen für Projekte mit mehr als 20 Wohneinheiten ein Drittel geförderten Wohnraum durchzusetzen. Am Eppendorfer Marktplatz hatte ein Investor ursprünglich 35 teilweise geförderte Wohnungen geplant. Doch der Inhaber eines auf dem Gelände ansässigen Restaurants machte von seinem Vorkaufsrecht Gebrauch. Auf der verringerten Baufläche sollen nun stattdessen 19 Wohnungen entstehen. Aber nicht nur hier ist der Bau von Sozialwohnungen vom Tisch. In Altona will der Eigentümer der Häuser in der Breite Straße 114 und 116, der ursprünglich 25 Wohnungen geplant hatte, ebenfalls nur noch 19 neue Wohnungen schaffen. „Das ist ein Problem, das nur bei kleinen Bauträgern auftritt“, so Mark Classen, Wohnungsbauexperte der SPD in Altona. „Große Immobilienunternehmen, die regelmäßig neue Bauanträge stellen, werden sich nicht mit den Bauprüfdienststellen anlegen wollen.“ JOF
Leerstand lohnt sich nicht
Der Bundesfinanzhof hat entschieden, dass Vermieter nicht mehr länger unbegrenzt von Leerständen profitieren können, wenn sie sich nicht ausreichend um Vermietung bemühen. Ein Vermieter hatte nach eigener Aussage für eine leer stehende Wohnung über Jahre keinen geeigneten Mieter gefunden. Für die Wohnung wollte er fast 9000 Euro steuerlich geltend machen. Das Gericht urteilte, dass es zumutbar gewesen wäre, den Mietpreis abzusenken. (Az. IX R 14/12). JOF
Die Topthemen aus der Online-Redaktion im Februar
1. „Initiative Sauberes Hamburg“:
Dubiose Hetze im Netz
2. Kickerturnier:
Mehr als 100 Teams für Hinz&Kunzt
3. Dumpinglöhne im Hotel:
Klagen gegen Reinigungsfirma
Saga: Mehr Bewerber, weniger Neuvermietungen
Die verhältnismäßig günstigen Wohnungen des städtischen Wohnungsunternehmens Saga GWG (durchschnittliche Nettokaltmiete pro Quadratmeter: 5,60 Euro, Stand 2011) sind sehr begehrt. Waren Ende 2011 noch 39.000 Interessenten registriert, waren es Ende 2012 schon 40.000. Das geht aus der Senatsantwort auf eine Anfrage der Linken-Abgeordneten Heike Sudmann hervor. Im gleichen Zeitraum ist demnach die Zahl der Neuvermietungen, also die Vergabe von Wohnungen an Bewerber, zurückgegangen: von 9775 im Jahr 2011 auf 8901 im Jahr 2012. Wie lange Interessenten auf eine Wohnung warten, erhebt Saga GWG laut Senatsantwort nicht, weil die Wartezeit kein Kriterium bei der Wohnungsvergabe darstelle. Stattdessen werde bei potentziellen Mietern auf deren wirtschaftliche Situation und auf das soziale Gleichgewicht im Haus und im Quartier geachtet. BEB
Das „Wunder von Braunschweig“
Erneut hat der als „Wunder von Braunschweig“ bekannt gewordene anonyme Wohltäter mit einer Spende geholfen: Im Februar erhielt ein junger Mann 5000 Euro. Er hatte sich schützend vor eine Gruppe Frauen gestellt und wurde selbst zum Opfer der Angreifer. Seit Ende 2011 hat der Unbekannte mehr als 200.000 Euro sozialen Einrichtungen und Menschen in Not im Raum Braunschweig zukommen lassen. JOF
Bäderland Hamburg: immer neue Teilzeit-Jobber?
Beschäftigt Bäderland dauerhaft Menschen mit befristeten Arbeitsverträgen? Drei Mitarbeitern im Bistro des Spaßbads „Festland“ hat das städtische Unternehmen vier Mal hintereinander einen Halbjahresvertrag ausgestellt – und beschäftigt sie nun nicht mehr weiter. Gleichzeitig suchte Bäderland im Februar neue Mitarbeiter für die Gastronomie – befristet. Die Gewerkschaft Verdi kritisierte, die Praxis sei „einem öffentlichen Unternehmen nicht würdig“. Bäderland sprach von einem „Pilotprojekt“, dessen Überprüfung „eine dauerhafte Unwirtschaftlichkeit des Geschäftsbereichs“ ergeben habe. Wie viele der 500 Bäderland-Mitarbeiter befristete Arbeitsverträge haben, teilte das Unternehmen trotz Nachfrage nicht mit. UJO
Online-Riese Amazon: viele Leiharbeiter, schlechte Bedingungen
Eine ARD-Dokumentation über Leiharbeiter bei Amazon hat Proteste ausgelöst. Die Filmemacher werfen dem Unternehmen vor, in seinen Logistikzentren Arbeiter beschäftigt zu haben, die mit falschen Versprechungen aus ganz Europa angelockt worden seien. So seien Verträge bei Amazon versprochen worden, tatsächlich wurden die Wanderarbeiter aber von Leiharbeitsfirmen angestellt. Untergebracht wurden sie in leer stehenden Ferienparks, bewacht von einem dubiosen Sicherheitsdienst. Nach weiteren Medienberichten erklärte Amazon Mitte Februar die Trennung von einem Dienstleister sowie vom kritisierten Sicherheitsdienst. Der Gewerkschaft Verdi zufolge heuerte Amazon für das Weihnachtsgeschäft bis zu 5000 Leiharbeiter an. UJO
Pferdefleisch-Lasagne für Arme?
Der Göttinger CDU-Bundestagsabgeordnete Hartwig Fischer hat vorgeschlagen, Produkte, die wegen eines nicht deklarierten Pferdefleischanteils aus dem Verkehr gezogen wurden, an die Tafeln zu spenden. „Bedürftige sind keine Verbraucher zweiter Klasse“, entgegnete Tafel-Chef Gerd Häuser. Fischer fühlt sich missverstanden. Es handele sich um gute Produkte, die dann neu beschriftet würden: „Jeder entscheidet freiwillig, ob er das essen möchte.“ BELA