Meldungen: Politik & Soziales

(aus Hinz&Kunzt 237/November 2012)

Abzock-Vermieter Kuhlmann verurteilt
Abzocken lohnt sich nicht. Das stellt das Amtsgericht St. Georg mit Urteilen gegen den Hamburger Vermieter Thorsten Kuhlmann und die Kuhlmann Grundstücks GmbH klar. Das Gericht verurteilte die Firma zu Rückzahlungen von 21.000, 47.000 und 20.000 Euro. Geklagt hatte das Jobcenter, das an Kuhlmann überhöhte Mieten für Hilfeempfänger überwiesen hatte. Dieser hatte unter anderem nichtexistente Quadratmeter abgerechnet. In den ersten drei von insgesamt 13 Verfahren hatte das Jobcenter 169.000 Euro gefordert. Behörden-Anwalt Beckmann wertet die Urteile „unabhängig vom Betrag“ als „großen Erfolg“: „Im Prinzip müssen die Mieten zurückgezahlt werden.“ Weitere Urteile werden noch in diesem Jahr erwartet. Zudem hat die Staatsanwaltschaft Anklage gegen Kuhlmann wegen gewerbsmäßigen Betrugs erhoben. BEB

Sparkassen führen Bürgerkonto ein
423 Sparkassen haben sich mit einer Erklärung dazu verpflichtet, jedem Interessierten auf Wunsch ein „Bürgerkonto“ einzurichten. Mit dem neuen Guthabenkonto sollen Menschen mit Schulden auch eine EC-Karte erhalten können. Ablehnungen oder Kündigungen würden künftig schriftlich begründet, so der Sparkassenverband. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung spricht von einem „Fortschritt“. UJO

Hamburger Mindestlohn kommt 2013
Hamburg will künftig jedem Beschäftigten, der direkt oder ­indirekt für die Stadt arbeitet, Tariflohn zahlen, mindestens aber 8,50 Euro in der Stunde. Ein entsprechendes Gesetz, für das seit Ende Oktober ein Entwurf vorliegt, soll laut SPD ­Anfang kommenden Jahres in Kraft treten. Der neue Landesmindestlohn betrifft städtische Beschäftigte und Mitarbeiter
in öffentlichen Unternehmen, Einrichtungen, die öffentlich ­gefördert werden, sowie Firmen, die städtische Aufträge ­erhalten. Uwe Grund, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes Hamburg, lobte den Entwurf. Er zeige ­„Qualität, weil er den maximalen Geltungsbereich aufweist, den ein Landesgesetzgeber nutzen kann“. BEB
Lesen Sie dazu auch die Zahlen des Monats.

Bundesratsinitiative: Senat will Mieten bei Neuvermietungen begrenzen
Der Hamburger Senat will 2013 im Bundesrat eine Initiative gegen überhöhte Mieten einbringen. Ziel ist eine Änderung des Wohnungswirtschaftsgesetzes. Mieten bei Neuvermietungen sollen maximal 20 Prozent über dem Mietenspiegel liegen dürfen. Die Linke hatte einen entsprechenden Antrag bereits im Oktober 2011 an die Bürgerschaft gestellt und kritisiert, der Senat habe zu lange gebraucht, um „in die Puschen zu kommen“. Grüne und Mieterverein begrüßen das Vorhaben. Der Grundeigentümerverband Hamburg stellt sich dagegen. BEB

Armutskonferenz: „Politik ist tatenlos“
Die Nationale Armutskonferenz (nak) wirft der Politik Tatenlosigkeit bei der Armutsbekämpfung vor. Das ist das ­Fazit des ersten eigenen Armutsberichtes der nak. Der
„Erste Schattenbericht“ ist das Gegenstück zum vierten Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung. „Die Reichen werden immer reicher, die Armen immer ärmer, und die ­Politik schaut weitgehend tatenlos zu“, so ein Sprecher. Dabei lägen Lösungen auf der Hand. Die nak fordert unter anderem flächendeckende Mindestlöhne, eine Neuberechnung der Hartz-IV-Regelsätze und dass das Menschenrecht auf Wohnen im Grundgesetz verankert wird. BEB
Schattenbericht zum Download: www.hinzundkunzt.de/nak

Jobcenter spart nicht mit Strafen
Wer nicht hören will, muss fühlen – findet zumindest das Hamburger Jobcenter und greift nicht selten zu Sanktionen, wenn Hilfeempfänger sich seiner Meinung nach nicht korrekt verhalten. 14.000 Mal kürzte das Jobcenter allein in den ersten fünf Monaten dieses Jahres Leistungen. Mehr als 9000 Mal wurde aufgrund sogenannter „Meldeversäumnisse“ ­gekürzt – um durchschnittlich rund 116 Euro. Mit Sanktionen sparte das Jobcenter im ersten Halbjahr 2012 schon mehr als 3,5 Millionen Euro. Geht das so weiter, stellt die Behörde einen neuen Negativrekord auf. Seit Jahren steigt die Zahl der Sanktionen gegen Hamburger Hilfeempfänger stetig an. 2007 waren es noch 19.098, 2011 schon 31.636. BEB

Krankenkassen sollen Praxisgebühr für Wohnungslose abschaffen
Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAGW) wiederholt ihre Forderung nach einer Abschaffung der Praxisgebühr für Obdach- und Wohnungslose. Anlass ist, dass die KKH-Allianz ihren Versicherten die zehn Euro Quartalsgebühr erlässt. BAGW-Sprecherin Werena Rosenke: „Die Krankenkassen sollen handeln, wenn es der Gesetzgeber nicht tut.“ Es sei nachgewiesen, dass die Praxisgebühr beitrage, dass arme Patienten deutlich seltener zum Arzt gehen. BEB

Protest gegen Verlegung des Frauenvollzugs
Mit einem offenen Brief protestieren Strafvollzugsexpertinnen sowie die Ex-Bischöfin Maria Jepsen und Landespastorin Annegrethe Stoltenberg gegen die Pläne des SPD-Senats, den Frauenstrafvollzug von Hahnöfersand in den geschlossenen Vollzug nach Billwerder (650 männliche Gefangene) zu verlegen. Schon jetzt sei Billwerder „eine Verwahranstalt mit massiven Folgen für Insassen und Bedienstete“ schrieben beispielsweise Hamburgs ehemalige Justizsenatorin Dr. Lore Maria Peschel-Gutzeit und Dr. Hilde van den Boogaart (ehemalige Leiterin von Hahnöfersand und heutige Leiterin der Sozialtherapeutischen Anstalt Lübeck). Eine Großanstalt begünstige Anonymität und Subkultur, die Resozialisierungschancen der Frauen würden „in erheblichem Maße eingeschränkt“. Zumal 75 Prozent der Frauen Gewalterfahrungen hätten und 50 Prozent sexuell missbraucht worden seien. Aufgrund ihrer Straftaten und ihres Verhaltens bräuchten sie auch keinen hohen Sicherheitsstandard. Verheerend würde sich die geschlossene Großanstalt Billwerder auch auf die Kinder auswirken, die bis zum fünften Lebensjahr bei ihren Müttern leben dürfen. BIM
Ausführlicher unter www.hinzundkunzt.de/frauenvollzug

Hamburg ist Hauptstadt der Altersarmut
In keinem anderen Bundesland ist der Anteil der älteren Menschen, die auf staatliche Hilfe angewiesen sind, so hoch wie in Hamburg: Ende des Jahres 2011 erhielten hier 19.730 Menschen ab 65 Jahre Grundsicherung. Das sind 5,8 Prozent dieser Altersgruppe. Bundesweit lag die Quote bei 2,58 Prozent. Aus den Daten des Statistischen Bundesamtes und des Statistikamtes Nord geht auch hervor, dass die Zahl der älteren Hilfebezieher stark gestiegen ist. Im Vergleich zum Vorjahr ergibt sich für Hamburg eine Steigerung um sechs Prozent, im mittelfristigen Vergleich zu 2006 waren es 29 Prozent mehr. 74 Prozent der Empfänger stockten mit der Hilfe ihre Rente auf. BEB

Zu wenig Sozialwohnungen
Für Menschen mit geringem Einkommen gibt es zu wenig Sozialwohnungen: In Hamburg hätten 218.000 Haushalte ­darauf Anspruch, so eine Studie des Pestel-Instituts. Dieser Bedarf sei nur zu 40 Prozent gedeckt. Übrigens: Bis 2013 ­fallen noch 13.000 Sozialwohnungen aus der Bindung. Laut Studie fehlen vier Millionen günstige Wohnungen. BEB