Kolumne #kleingartenlife :
Mein grünes Corona-Exil

Wenn der Lockdown nervt, tröstet die Parzelle: Deutschland investiert so viel wie nie in Gärten. Unser Kolumnist macht auch mit.

Hinz&Kunzt Randnotizen

Freitags informieren wir per Mail über die Nachrichten der Woche:

Ich habe eine neue Art des Glücks entdeckt – und die hat viel damit zu tun, wie tief sich Schmutz in die Falten meiner Hände eingraben kann. Wie schnell ich abschalten kann, sobald das Kleingartentor hinter mir ins Schloss fällt, wie gerne ich dem Rasen beim Wachsen zusehe, wie viel Freude beim Jäten aufkommt. Dieses Glück hätte ich nie für möglich gehalten. Es hilft sogar gegen Corona – jedenfalls gegen die Zumutungen von Kontaktbeschränkungen und Co. Homeoffice-Frust? Ab in den Garten, buddeln und Kopf frei kriegen! Lockdown-Vereinsamung? Auf in die Kolonie, zum infektionssicheren Schnacken über die Hecke!

Ich bin bei Weitem nicht der Einzige, der sich aus der Pandemie in den Kleingarten gerettet hat – sehr zur Freude des grünen Kapitals übrigens: Der Industrieverband Garten schwärmt in seinem Jahresbericht 2020 von einem „vermutlich auf lange Sicht nicht zu schlagenden Rekordumsatz von rund 20,7 Milliarden Euro“, was einem Plus von nahezu 10 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Baumärkte legten mit ihrem Gartensortiment sogar 18 Prozent an Umsatz zu. Die Gartenbranche, ein echter Krisengewinner! Finanziell stehe ich dagegen klar auf der Verliererseite – und fange direkt an zu rechnen, wie viel Prozent vom Umsatzplus wohl auf meiner Parzelle gelandet sind … 

Ja, Gärtnern kann teuer werden, auch so eine Erkenntnis nach einem Dreivierteljahr als Laubenpieper. Aber es lohnt sich, gerade in der Pandemie. Glauben Sie nicht? Es gibt dazu sogar eine Webseite: gardensinthetimesofcorona.com. Dort haben Kleingärtner*innen ihre Erlebnisse in der kontaktarmen Zeit aufgeschrieben. „Mein Garten hat mir alles gegeben, was ich zum Glücklichsein brauchte“, konstatiert dort ein Thomas aus dem Sauerland und schwärmt von seinem neuen Hochbeet: „Was für eine Freude, wenn der Mangold so gut gedeiht und die Radieschen ganz frisch vor dem Frühstück geerntet werden können!“

Spüren Sie das auch? Ich finde, man greift die Leidenschaft regelrecht mit den Händen. „Während ich Beet für Beet mit der Grabegabel lockerte, Unkraut zupfte und Blumensamen verstreute, verschwanden Anspannung und Ängste“, schreibt Anja aus Köln. „Die Natur war so unglaublich unbeeindruckt von der allgemeinen Panikstimmung.“ Und ich denke beim Lesen die ganze Zeit: Ja, genau, stimmt! Das sind auch nicht nur gefühlte Wahrheiten: Dass Gärtnern das psychische Wohlbefinden und sogar die körperliche Gesundheit fördert, können Sie in jeder Unibibliothek nachlesen.

Auch der politischen Forderung von Gärtnerkollegin Anja schließe ich mich sofort an: Gärten für alle! Leider ist es noch nicht so weit. Zwar gibt es in Hamburg stolze 34.500 Kleingärten, aber für alle reicht das lange nicht. Zumal viele von uns gerade wieder um den Fortbestand ihrer Scholle bangen müssen, weil Grünflächen in der Stadt eben auch begehrtes Bauland sind. 

Übrigens: Sollten Sie keinen Garten für den persönlichen Corona-Escape haben, müssen Sie sich nicht mit Spazierengehen begnügen (machen ja inzwischen auch echt alle). In mehreren Hamburger Bezirken können Sie eine Grünpatenschaft übernehmen – also die Verantwortung für ein eigenes Stück öffentlicher Grünfläche. Machen Sie sich ruhig die Hände schmutzig – es wird Ihnen guttun! 

Artikel aus der Ausgabe:

Der Privatbankier

In Hamburg müsste viel mehr preiswerter Wohnraum entstehen. Die Grundstücke sind da. Was macht die Stadt falsch? Und: Bis die abgerissenen Esso-Häuser auf St. Pauli durch einen Neubau ersetzt sind, werden Jahre vergehen. Wer von den alten Mieter*innen wird von dem Rückkehrrecht dann noch Gebrauch machen? Außerdem: Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner will für Aufstiegschancen ab der Kita sorgen – und Hartz-IV-Empfänger*innen mehr eigenes Geld lassen.

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Autor:in
Benjamin Buchholz
Benjamin Buchholz
Früher Laufer, heute Buchholz. Seit 2012 bei Hinz&Kunzt. Redakteur und CvD Digitales.

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