Das Winternotprogramm in der Spaldingstraße wird aufgestockt: Ab heute stellt die Sozialbehörde 60 mehr Plätze in dem ehemaligen Bürogebäude zur Verfügung. Das ist auch dringend notwendig, denn die Notquartiere sind überfüllt, schon jetzt an den frostfreien Tagen.
Zwei Wochen nach Start des Winternotprogramms heißt es schon: alles voll. Die 160 Betten in der Spaldingstraße reichen nicht mehr aus. Wie Behördensprecherin Nicole Serocka auf Hinz&Kunzt-Anfrage bestätigt, betrug die Auslastung in der vergangenen Woche mehrmals über 100 Prozent: Am 12. November übernachteten dort 174 Personen, tags zuvor waren es 170. Weil keine Betten mehr frei sind, müssen manche Obdachlose in den Gemeinschaftsräumen sogar auf Stühlen übernachten.
Auch die Übernachtungsstätte Pik As ist an ihren Kapazitätsgrenzen. Bis zu 305 Menschen haben dort dieser Tage übernachtet – 190 Plätze gibt es offiziell. Die Auslastung betrug damit 161 Prozent. Abgewiesen wird keiner, aber auch hier müssen Obdachlose auf Stühle ausweichen und schlafen in Gängen.
Aufgrund der drückenden Notlage musste die Behörde handeln: Ab heute öffnet sie den 4. Stock, gibt 60 weitere Plätze frei. Anwohner des benachbarten Münzviertel haben sich bereits über die Zustände vor Ort beschwert. Die Behörde hat zwar schon reagiert: Die Müllabfuhr macht regelmäßig sauber. Aber da die Menschen morgens die Spaldingstraße verlassen müssen, bleiben sie weiterhin auf der Straße. Hinz&Kunzt fordert schon lange, das Winternotprogramm auch tagsüber zu öffnen. Zudem müsste eine weitere Tagesaufenthaltsstätte in der Innenstadt eingerichtet werden.
Denn auch die benachbarte Tagesaufenthaltsstätte Herz As kann den Ansturm nicht bewältigen. Schon morgens warten Menschen vor der Tür, weil sie gerne duschen würden. Bei der Essensausgabe müssen inzwischen schon Menschen weggeschickt werden. Mehr als 110 Menschen passen aber nicht hinein. Im Schnitt kommen aber täglich rund 160 Menschen.
Die Kapazitätsgrenzen sind erreicht, wie Behördensprecherin Nicole Serocka auf Hinz&Kunzt-Anfrage einräumt. Mehr noch, wie Hinz&Kunzt-Sozialarbeiter Stephan Karrenbauer sagt: „So dramatisch wie jetzt war die Situation seit Jahren nicht mehr. Stühle sind nun wirklich nicht zum Übernachten geeignet.“
Hinz&Kunzt-Chefredakteurin Birgit Müller sagt: „Das sind unhaltbare Zustände. Wir befürchten, dass die zusätzlichen Plätze in der Spaldingstraße auch nicht reichen. Der Sozialsenator hat versprochen, weitere Plätze bereitzustellen. Darauf bauen wir jetzt. Ob Notübernachtung oder Tagesaufenthaltsstätte: Die Obdachlosen, die Mitarbeiter und die Anwohner können einem nur leid tun.“
Dossier: Wohnungsnotstadt Hamburg
Text: Simone Deckner
Foto: Mauricio Bustamante