Im Wortlaut: Presseerklärung der Bischofskanzlei Hamburg
(aus Hinz&Kunzt 160/Juni 2006)
Bischöfin Maria Jepsen und Erzbischof Werner Thissen haben sich in die aktuelle Bettler-Debatte eingemischt. In einer gemeinsamen Erklärung rufen sie zu „mehr Großherzigkeit und Liberalität“ auf. Die Erklärung im Wortlaut
Wir sehen das Vorgehen des Bezirksamtes Mitte gegen die Bettler mit Behinderungen in der Innenstadt mit Sorge.
Ohne uns auf die verwinkelte juristische Begründung für die Vertreibung der Bettler aus der City einzulassen, bitten wir die Bevölkerung Hamburgs und das Bezirksamt Mitte um mehr Großherzigkeit und Liberalität. Betteln gehört zu den letzten Möglichkeiten für Leute, die aus welchen Gründen auch immer durch die sozialen Netze fallen, sich ihren Lebensunterhalt zu erwerben.
Die Bibel erwähnt in ihren Schriften wiederholt Bettler mit Behinderungen, Lahme, Aussätzige und Blinde, die um Almosen bitten. Auch in der Bibel suchen diese Menschen prominente Orte auf: am bekanntesten etwa der Bettler am Schönen Tor des Tempels von Jerusalem, der Petrus um Hilfe bittet. Auch dieser Mensch, ein Lahmer, wurde von anderen täglich herbeigetragen und vor die Tür des Tempels gesetzt, um bei denen zu betteln, die in den Tempel gingen. (Apg. 3,1ff)
Aus christlicher Sicht kann man der Armut weder begegnen, in dem man die Augen vor ihr verschließt, noch, wie nun intendiert, die Armen aus dem Blickfeld verdrängt.
Man schützt ihre ihnen eigene Würde nicht, wenn man sie von einem Stadtteil in den anderen oder anderswohin abdrängt – mehr geschieht zur Zeit ja nicht.
Wir unterstellen dem Bezirksamt Mitte bei seinem Vorgehen keine unlauteren Motive, bitten die dort Verantwortlichen aber umso mehr, ihre Entscheidungsgrundlagen noch einmal zu überprüfen und zu revidieren.
Der Einsatz für die „Mühseligen und Beladenen“, den Jesus von uns erwartet, ist nicht nur eine innerkirchliche und private Aufgabe, sondern auch ein gesellschaftliches und öffentliches Gebot. Das in Hamburgs jahrelanger Bettlerdebatte viel zitierte Schlagwort „Bekämpfe die Armut, nicht die Armen“, ist richtig und fordert von uns allen mehr Rücksicht auf den einzelnen Menschen, als wir sie in dem derzeitigen Vorgehen des Bezirks erkennen können.