Schlagersängerin Mary Roos

„Süße Omi nennt mich keiner“

Sie wird ständig nach ihrer Vergangenheit gefragt, lebt aber im Hier und Jetzt: Mary Roos. Foto: Simone Deckner
Sie wird ständig nach ihrer Vergangenheit gefragt, lebt aber im Hier und Jetzt: Mary Roos. Foto: Simone Deckner
Sie wird ständig nach ihrer Vergangenheit gefragt, lebt aber im Hier und Jetzt: Mary Roos. Foto: Simone Deckner
Hinz&Kunzt Randnotizen

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Den Großteil ihres Lebens drehte sich bei Sängerin Mary Roos alles um die Musik. Auch nachdem sie damit Schluss gemacht hat, wird es der 76-Jährigen nicht langweilig – dafür ist sie noch viel zu neugierig auf das Leben.

Zum Interviewtermin mit Hinz&Kunzt hat Mary Roos reichlich aufgetischt: Es gibt Croissants und Kaffee, Mozzarella mit Tomaten und Basilikum und Apfelkuchen. Die Sängerin nimmt sich eineinhalb Stunden Zeit für das Gespräch in ihrem Haus im Hamburger Norden. Bloß kein Stress! „Ich könnte eine Woche hier bleiben, ohne einmal rauszugehen. Mein Zuhause ist meine Scholle“, sagt Mary Roos. Gut, das würde wohl fast jede:r über seine eigenen vier Wände sagen, aber bei ihr ergibt es wirklich Sinn: Seit die heute 76-Jährige im Alter von neun Jahren als Sängerin entdeckt wurde, war sie ständig unterwegs. Immer verplant, tagein, tagaus. Mehr als sechs Jahrzehnte lang ging das so, unterbrochen nur von einer Pause, in der sie Mutter wurde. Mary Roos, so viel ist sicher, verbrachte mehr Zeit in Hotels, auf Flughäfen und in Tourbussen als auf ihrem Sofa.

2019 machte sie Schluss damit, kurz nach ihrem 70. Geburtstag: In Florian Silbereisens Sendung „Schlagerchampions“ verbeugte sie sich ein letztes Mal tief vor dem Publikum. „Ich hätte sicher noch ein paar Jahre weitermachen können“, sagt Mary Roos sechs Jahre später und gießt der Reporterin eine Tasse Kaffee ein, doch es habe einfach gereicht. Die Frage, ob sie nicht doch manchmal einen Phantomschmerz verspüre oder es wie ihr Schlagerkollege Howard Carpendale machen wolle, also den Rücktritt vom Rücktritt erklären, verneint sie nachdrücklich. Sie habe sich das alles gut überlegt. Kurz bevor ihr Bruder 2019 starb, nahm er sie zur Seite und tadelte sie: „Du lebst ja gar nicht! Du bist nur unterwegs!“ Egal ob in der Familie ein Geburtstag, eine Hochzeit oder eine Taufe gefeiert wurde, sie war nicht dabei, sondern stand immer auf irgendeiner Bühne. In Interviews erklärte sie, sie wolle sich fortan auf ihr Leben als „schrille Alte“ konzentrieren. Befreit von allen Zwängen, narrenfrei gewissermaßen. Schon 2015 hatte sie in ihrem Lied „Merkste selber“ jene Altersgenossinnen aufs Korn genommen, die mit 60 Jahren noch versuchen, wie 20 auszusehen. Die sich Kosenamen auf die schlaffer werdende Haut tätowieren lassen. Schrill steht bei ihr eher für selbstbestimmt, dem eigenen Gefühl folgend – egal, was andere Leute darüber sagen.


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Autor:in
Simone Deckner
Simone Deckner
Simone Deckner ist freie Journalistin mit den Schwerpunkten Kultur, Gesellschaft und Soziales. Seit 2011 arbeitet sie bei Hinz&Kunzt: sowohl online als auch fürs Heft.

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