Vom Traum, ein großer Filmer zu sein
(aus Hinz&Kunzt 143/Januar 2005)
Den Traum, Filme zu machen, hatte Gabriel Bornstein bereits vor 20 Jahren. Jetzt hat er seinen ersten langen Spielfilm selbst inszeniert: „Dezemberküsse“.
Nicht dieser spezielle Film sei der Traum gewesen, sondern überhaupt einen zu drehen, sagt der Mann im Cordjackett. Mit 35 Jahren begann er Film an der Kunst-hochschule zu studieren, mit 40 hatte er ein Diplom und eine Drehbuchförderung. „Ich dachte, jetzt geht es los. Ich war naiv. Es klappte nicht“, sagt er lächelnd. Jetzt, fast 17 Jahre später, hat es geklappt. Gabriel Bornstein hat seinen ersten langen Spielfilm inszeniert. Ohne Subventionen. Darauf ist er stolz. Davor lagen ein paar Drehbuchförderungen, viel private Weiterbildung und viele Anläufe. Mit jedem habe er etwas Neues gelernt, sagt der 56-Jährige und wirkt dabei kein Stück verbittert.
Das Buch zum Spielfilm „Dezemberküsse“ schrieb er zusammen mit einem langjährigen Weggefährten. In zwei Monaten. Sie wollten schnell und kostengünstig handeln wie ihr Vorbild Roger Corman, der König der Billigfilme, der vor allem in den 60er- und 70er-Jahren mit geringen Budgets Filme produzierte. Das Ergebnis ist eine melodramatische Liebesgeschichte auf dem Dachboden einer Kirche. Ein Spielort, wenig Darsteller, auf Video gedreht – eine Low-Budget-Produktion, erklärt Gabriel Bornstein. 30.000 Euro Produktionskosten. Er hat dafür seine einzige finanzielle Rücklage, seine Wohnung in Israel, verkauft: „Man lebt nur einmal. Wenn es eine Chance gibt, dann mach es“, sagt er und lächelt.
Am Ende der Liebesgeschichte zwischen dem angeschossenen Kleinganoven Freddy und der Pfarrerstochter Laura verzichtet der Held auf die Geliebte. Eine harte, aber richtige Entscheidung, findet Gabriel Bornstein. Dieses Motiv wie in „Casablanca“ habe ihn schon immer sehr angerührt, weil ein Mensch damit einen Schritt über sein Ego, seinen eigenen Profit hinaus mache. Keine witzige Geschichte. Das macht es schwieriger beim Verkauf des Films. Komödien kommen besser an. Doch der Regisseur ließ nichts unversucht. Im VW-Bus fuhren er und einige Mitstreiter mit dem Film im Gepäck nach Cannes auf die MipCom, einen Filmmarkt. Sie übernachteten in der Jugendherberge und fanden einen Vertrieb, der den Film über Amazon auf den Markt bringt. Das bedeutet wahrscheinlich keinen Verdienst, aber der Film taucht überhaupt auf.
Früher war der Filmer Ingenieur und Computerprogrammierer. Zunächst träumte er davon, Wissenschaftler zu werden, stellte jedoch fest, dass es ihn nicht genug interessierte. Neben dem Programmieren schrieb er sein erstes Theaterstück. Dann führte ihn vor 22 Jahren die Liebe von Israel nach Deutschland. Hier blieb er hängen: Ein Freund bot ihm ein Zimmer an, er fand Kontakt zur Kunstszene und erhielt schließlich das Angebot, Film zu studieren. „Ich habe Blut geleckt“, sagt er. Heute leide er manchmal, weil er mit der Filmarbeit nur sehr wenig Geld verdient, doch er bereue nichts, denn er liebt, was er tut.
Er sei ein Träumer, der versuche, mehr Bodenständigkeit zu gewinnen, sagt Bornstein. Aber er ist überzeugt: „Wenn man seinen Träumen nicht folgt, dann fragt man sich irgendwann, wofür das eigentlich alles ist. Jedes Projekt ist ein neuer Anfang. Jede Arbeit ist der Stein für die nächste.“
Und jetzt, da der Traum in Erfüllung gegangen ist? Gemischte Gefühle. Stolz ja, aber auch Enttäuschung. Als der Film abgedreht war, sah er die Fehler. „Heute würde ich es viel besser machen, aber das geht nicht mehr. Ich muss warten, bis ich eine neue Chance habe.“