Bundestagswahl : Macht oder Ohnmacht?

Ein Kommentar zur Bundestagswahl von Hinz&Künztler Torsten Meiners

(aus Hinz&Kunzt 247/September 2013)

Hinz&Künztler Torsten Meiners glaubt an die Demokratie – misstraut in Deutschland aber  den politischen Parteien und ihren Wahlkampf-Versprechen.
Hinz&Künztler Torsten Meiners glaubt an die Demokratie – misstraut in Deutschland aber den politischen Parteien und ihren Wahlkampf-Versprechen.

Es ist wieder so weit! Überall Plakate, Parteien, Parolen. Das Wahlrecht ist das wichtigste politische Grundrecht in einer wirklichen Demokratie. Von diesem Recht keinen Gebrauch zu machen, ist zwar eine verständliche Art von Protest, im Grunde ist es aber nur ohnmächtige Resignation!

Aber mich stört auch, dass auf keine Aussage der Parteien Verlass ist. Sie werden grundsätzlich nach der Wahl Entscheidungen treffen oder Koalitionen bilden, denen man vorher als Wähler nicht zugestimmt hätte. Ist das nicht Placebo-Demokratie?

An der aktuellen Wahlrechtsänderung kann jeder Wähler erkennen, wie die Parteien politische Macht zum eigenen Vorteil nutzen. Das Bundesverfassungsgericht hat nach der letzten Wahl die Berechnung der Anzahl der Bundestagsmandate für verfassungswidrig erklärt. Nach monatelangem Gezerre haben sich alle Parteien des Bundestages mit Ausnahme der Linken auf einen Modus geeinigt: Jetzt werden Überhangmandate einer Partei mit Ausgleichsmandaten für alle anderen Parteien ausgeglichen. Dadurch wird die Zahl der Abgeordneten im nächsten Bundestag in unvorhersehbarer Höhe steigen. Wenn die neue Regel bei der vergangenen Bundestagswahl 2009 angewandt worden wäre, gäbe es jetzt 671 statt 598 Bundestagsabgeordnete. Das kostet die Steuerzahler richtig viel Geld: Sie müssen die Mehrkosten zahlen.

Das Ganze nützt nicht den Wählern, sondern nur den Parteien. Denn die Anzahl der Direktkandidaten, die mit Erststimmen ihren Wahlkreis gewonnen und dadurch ein Mandat haben, ist auf 298 Wahlkreise und Mandate festgelegt. Die Zahl der Mandate, die per Zweitstimme der Parteilandeslisten kommen, ist dagegen nicht festgelegt. Warum eigentlich nicht?

Dann wäre die Auswirkung der Zweitstimmenentscheidung unabhängig von der Zahl der Erststimmenmandate. Das hätte zwei Vorteile: Der Bundestag würde nicht unnötig aufgebläht. Und es würden auch mehr Wahlkreisgewinner, die direkt in den Bundestag gewählt wurden, im Bundestag sitzen – nicht übermäßig viele Wahlkreisverlierer, die nur über die Landeslisten eingezogen sind. Denn durch die Ausgleichsmandate ziehen Leute in den Bundestag ein, die ihr Mandat über die Landeslisten der Parteien erhalten, obwohl sie in ihrem Wahlkreis verloren haben. Demokratie geht anders!

Im Grundgesetz lautet der Auftrag an die Parteien, an der politischen Willensbildung mitzuwirken. Von einem Machtmonopol und Lobbyismus steht da nichts! Ich werde dieses Mal mit meiner Erststimme einen parteilosen, unabhängigen Kandidaten im Wahlkreis 21 wählen. Denn ein unabhängiger Direktkandidat ist nur seinem Gewissen und seinem Wähler verantwortlich – und nicht einer Partei, die seine Entscheidungen beeinflusst.

Dass ich den Parteien misstraue, zeige ich dadurch, dass ich meine Zweitstimme nicht nutze – die bekommt keine Partei. Das ist zulässig und richtig so. Denn Parteien und Fraktionszwang sind Teil des Problems und nicht Teil der Lösung.

Das neue Wahlrecht: Bei der Bundestagswahl wählt die Bevölkerung einen Teil der ­Parlamentarier per Erststimme direkt ­(Direktmandat) und einen anderen Teil mit der sogenannten Zweitstimme indirekt über Landeslisten (die von den Parteien ­aufgestellt werden). Parteien konnten in der Vergangenheit mehr Direktmandate gewinnen, als ihnen, ­gemessen am gesamten Wahl­ergebnis, ­anteilig zustanden (Überhang­mandate). ­Damit nicht mehr nur einzelne Parteien von diesen Überhangmandaten profitieren, gibt es bei der Bundestagswahl 2013 erstmalig Ausgleichsmandate. Damit wird die Sitz­verteilung im Parlament dem prozentualen ­Gesamtergebnis angeglichen. Dies kann ­dazu führen, dass im kommenden Bundestag die Gesamtzahl der Parlamentarier ­deutlich steigen wird.

Foto: Mauricio Bustamante