Flaschensortierer bekam nicht mal 300 Euro Monatslohn
(aus Hinz&Kunzt 185/Juli 2008)
298,41 Euro Brutto-Monatslohn hat die Firma Hanse Privat Logistic Ltd. dem 44-jährigen Familienvater Recep Günaydin dafür gezahlt, dass er im April 40 Stunden die Woche als Flaschensortierer beim Getränkehändler Göttsche beschäftigt war. Rechnerisch ist das ein Stundenlohn von 1,70 Euro.
Der Geschäftsführer des Logistik-Dienstleisters, Horst Jess, versicherte auf Nachfrage, es handele sich um einen „Einzelfall“. Seine anderen Mitarbeiter würden besser bezahlt. Nachdem Recep Günaydin einen Rechtsanwalt eingeschaltet hatte, berechnete ihm die Hanse Privat Logistic für Mai einen Stundenlohn von 6,30 Euro. Zudem kündigte sie das Arbeitsverhältnis.
In einer Anlage zu Günaydins Arbeitsvertrag heißt es, dass sich sein Lohn aus der „tägl. Leistung“ ergebe. Pro Palette mit 40 Kisten bekomme er 1,25 Euro. Somit hätte er 4800 Flaschen pro Stunde sortieren müssen, um auf einen auskömmlichen Stundenlohn von 7,50 Euro zu kommen. Zu schaffen sind laut eines Sortierers aber nur rund 1200 Flaschen in dieser Zeit.
Wie die Hanse Privat Logistic die Löhne aktuell berechnet, wollte der Geschäftsführer nicht sagen. Er verwies auf einen Mitarbeiter, der angab, 1300 Euro brutto monatlich zu verdienen. Im Übrigen lehnte Jess eine Berichterstattung ab, „da es der Sachlage nicht dienlich ist“.
Thomas Dombrowski, Geschäftsführer der Firma Göttsche Getränke GmbH und Auftraggeber der Hanse Privat Logistic, erklärte auf Nachfrage, er werde „der Sache nachgehen“. „Aktuell“ habe sein Unternehmen „aber einen anderen Dienstleister im Einsatz“.
Vermittelt bekam der vormals arbeitslose Recep Günaydin den Job von der Jobdistrict GmbH. Diese erklärte, es habe keinerlei Hinweise auf sittenwidrige Bezahlung gegeben. Vielmehr sei von einem Monatslohn von 1300 Euro die Rede gewesen.
1000 Euro Prämie bekommt Jobdistrict von der Arbeitsgemeinschaft (Arge) für die Vermittlung von Recep Günaydin. Nachdem Hinz&Kunzt mit seinen Recherchen begonnen hatte, bot die Firma der Behörde an, auf das Honorar zu verzichten. Zudem erklärte sie die Zusammenarbeit mit der Hanse Privat Logistic für beendet.
Die Arge teilte indessen mit, sie werde Jobdistrict die Prämie auszahlen, wegen der „seit langem guten Zusammenarbeit“. Im Übrigen habe die Behörde in diesem Fall „keine Handhabe“.
Was der angemessene Lohn für Recep Günaydin ist und ob ihm rechtmäßig gekündigt wurde, muss jetzt das Hamburger Arbeitsgericht entscheiden.
Derweil suchte die Hanse Privat Logistic im Juni in Internet-Stellenbörsen neue Mitarbeiter für das „Konfektionieren von Getränken“. In den Anzeigen steht: „Entlohung ausschließlich im Akkord“.
Hinz&Kunzt behält sich vor, Strafanzeige wegen des Verdachts auf Lohnwucher zu stellen.