Der neue Hamburger Koalitionsvertrag stößt bei Gewerkschaften auf Zustimmung. Kritik formulieren Diakonie, soziale Träger und die Opposition.
Wirtschaft, Verkehr und Klimaschutz lauten die Schwerpunkte der neuen rot-grünen Regierung. Andere Ressorts hätten dadurch das Nachsehen, beklagt jetzt Klaus Wicher vom Sozialverband Deutschland (SoVD). Vor allem im Bereich Soziales seien die jetzt vorgestellten Pläne „eine Enttäuschung“.
Ins gleiche Horn stößt auch die Diakonie. „Wer die großen Zukunftsherausforderungen erfolgreich angehen will, muss den Zusammenhalt der Gesellschaft stärken“, sagt Landespastor Dirk Ahrens. „Eine ambitionierte Sozialpolitik spielt dabei eine entscheidende Rolle. Leider ist davon im Koalitionsvertrag wenig zu finden.“
Die Diakonie moniert vor allem, dass die Bereiche Krankenhäuser und Pflege trotz Coronakrise im Koalitionsvertrag nur am Rande vorkommen. „Die Angestellten in diesen Bereichen brauchen auch weiterhin die gesellschaftliche Anerkennung und wir müssen für eine Aufwertung der Pflegeberufe sorgen“, sagt Dirk Ahrens.
Im Bereich Wohnungslosenhilfe wiederum standen die meisten jetzt vorgestellten Projekte wie eine Pension für obdachlose Osteuropäer und mehr Plätze in der Krankenstube bereits vor der Wahl fest. Im Koalitionsvertrag würden „viele bereits längst bekannte Projekte nur wiederholt aufgelistet“, bemängelt daher die CDU. „Man fragt sich, worüber SPD und Grüne in den letzten Wochen tatsächlich verhandelt haben“, sagt Dennis Thering, Vorsitzender der CDU-Fraktion.
Beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) teilt man diese pauschale Kritik nicht: „Die Koalitionäre bekennen sich dazu, dass Arbeitsmarktpolitik angesichts der Corona-Pandemie ganz oben auf die politische Agenda gehört. Richtig so!“, lobt DGB-Chefin Katja Karger. Vor allem das angestrebte Bündnis für Gute Arbeit begrüßt man im Gewerkschaftshaus am Besenbinderhof. „Wir gehen davon aus, dass sich in diesem Rahmen Senat, Arbeitgeber und Gewerkschaften an einen Tisch setzen“, sagt Karger. „Dieses Bündnis sollte angesichts der künftigen Herausforderungen auf dem Arbeitsmarkt allerdings möglichst bald eingesetzt und handlungsfähig werden.“
Für den SoVD wiederum stellt das Bündnis für Gute Arbeit immerhin einen „Lichtblick“ dar. „Doch was tut die Stadt in Zukunft für Arme und Bedürftige?“, fragt Wicher und lenkt den Blick auf das Thema Mobilität – Steckenpferd der Grünen. „Eine echte Verkehrswende wäre es, wenn der ÖPNV für alle bedürftigen Menschen kostenfrei wäre, genauso wie Sport und Kultureinrichtungen“, sagt Wicher und schlussfolgert. „Alles in allem muss ich sagen: Dieser Koalitionsvertrag lässt die Menschen am unteren Rand der Gesellschaft allein zurück.“
Auch die Linksfraktion hat sich auf die Grünen eingeschossen und erinnert noch einmal an die sozialpolitischen Ziele des kleinen Koalitionspartners wie Entkriminalisierung von Schwarzfahren, ein für alle zugängliches Winternotprogramm und eine neue Wohnungsgemeinnützigkeit. „Alles Fehlanzeige“, bilanziert Fraktionsvorstand Cansu Özdemir.