Alle wollen eine Härtefall-Kommission für Hamburg. Aber wer soll rein?
(aus Hinz&Kunzt 146/April 2005)
Ob Regierung oder Opposition und Wohlfahrtsverbände: Eine Härtefallkommission (HK) wollen alle. Denn manche Abschiebungen sind zwar rechtens, aber menschlich so hart, dass auch die Mitarbeiter der Ausländerbehörde Probleme haben, sie zu vollziehen. „Wir halten schon Fälle zurück, die wir der Härtefallkommission vorlegen wollen“, sagt Innensenator Udo Nagel (parteilos).
Gestritten wird derzeit allerdings darüber, wie die HK aussehen soll. Protest gegen die Nagel-Variante hagelt es von der Opposition, von der Kirche und von Beratungsstellen. Denn der Senat und federführend der Innensenator wollen eine kleine Kommission, ein Unter-gremium des Eingabenausschusses – mit je einem Vertreter der Bürgerschaftsfraktionen und zwei nichtstimmberechtigten Vertretern der Ausländerbehörde. „Damit kann das Gremium schnell und parteien-übergreifend arbeiten“, so Nagel. Das sehen die Kritiker anders. Denn die Entscheidungen müssen einstimmig sein. „Das heißt im Klartext: Wenn die CDU nicht zustimmt, gibt es in Hamburg keinen Härtefall“, sagt Anne Harms von der Flüchtlingsberatungsstelle Fluchtpunkt. Außerdem bemängeln die Kritiker, dass die HK à la Senat ein Nadelöhr sei: Ein Ausländer könne sich nicht direkt an die Kommission wenden. Denn der Nagel-Enwurf sieht vor, dass ein Fall nur dann von der HK bearbeitet werden kann, wenn eines ihrer Mitglieder ihn an sich zieht oder ein Behördenmitarbeiter den Fall einbringt.
SPD und Grüne plädieren für eine eigenständige HK nach schleswig-holsteinischem Vorbild. Zusammensetzung: je zwei Vertreter des Innenministeriums, der kommunalen Verbände, der Wohlfahrtsverbände, der Flüchtlingsorganisationen und der Religionsgemeinschaften. Zusätzlich sollen in Hamburg zwei Vertreter der Wirtschaft (SPD) oder der Wissenschaft (Grüne) benannt werden.
Deutlich bei der Diskussion wird vor allem eins: Auf allen Seiten gibt es ein tiefes Misstrauen gegen die andere Seite. Die Ausländer- und Innenbehörde unterstellt, dass die Flüchtlingsorganisationen am liebsten jeden Ausländer hierbehalten würden. Die Flüchtlingsorganisationen befürchten, dass die Mini-Kommission nur ein Feigenblatt sein soll, um danach mit besserem Gewissen abzuschieben.
Ein Blick nach Schleswig-Holstein zeigt, dass die erweiterte Härtefall-Kommission gerade das Verhältnis zwischen Behörden und Flüchtlingsorganisationen verbessert hat. Norbert Scharbach, Abteilungsleiter im Kieler Innenministerium, räumte bei einer Diskussionsrunde in Hamburg ein, dass auch die Schleswig-Holsteiner Behördenmitarbeiter Ängste gehabt hätten vor einer regelmäßigen Zusammenarbeit mit den Lobby-Organisationen. Diese Ängste hätten sich allerdings nicht be-stätigt. Im Gegenteil: „Das gegenseitige Verständnis zwischen Verwal-tungen und Flüchtlingsorganisationen hat zugenommen“, so Scharbach. „Und es gibt eine höhere Bereitschaft in den Behörden, das gültige Recht im Zweifel für den Betroffenen positiv zu interpretieren.“
Hier die Zahlen: Bei den beiden Sitzungen in diesem Jahr wurden insgesamt 58 Härte-Fälle eingereicht, betroffen waren 147 Personen. Positiv entschied die HK 40 Fälle mit 101 Personen. Der Innenminister erkannte darauf hin 36 Fälle (92 Menschen).