Im Hinz&Kunzt-Team wird heftig gerungen: Behalten wir das Sternchen in unseren Texten? Oder Schaffen wir es wieder ab? Benjamin Laufer findet: Behalten! Und Sie?
Kennen Sie Dawson’s Creek? Die Kult-Teenieserie aus den 1990ern läuft gerade wieder bei Netflix. Und gleich in der ersten Folge beschimpft Hauptfigur und Sympathieträger Dawson jemanden als Transvestiten. Die Abweichung von Geschlechternormen ging 1998 offensichtlich als akzeptabler Grund für Schmähungen durch. Heute würde man das wohl kaum mehr so selbstverständlich in eine Serie hineinschreiben. Unsere Gesellschaft entwickelt sich weiter – zum Glück! Seit 2019 können Sie im Personalausweis nicht mehr nur „männlich“ oder „weiblich“ stehen haben, sondern auch „divers“. Dass es mehr als zwei Geschlechter gibt, hat endlich sogar der deutsche Amtsschimmel anerkannt. Die Sprache zieht da jetzt nach – und es wird Zeit.
Hinz&Kunzt hat sich vor einem Jahr dafür entschieden, den Genderstern einzuführen. Für uns eine Haltungsfrage: Als Straßenmagazin wollen wir alle ansprechen. Frauen, Männer und alle anderen auch. Man kann noch so oft behaupten, dass beim generischen „Ärzte“ auch die „Ärztinnen“ mitgemeint sind – bei den Leser*innen entsteht im Kopf das Bild von Männern in weißen Kitteln und nicht das von Frauen. Wir wissen das aus Studien. Und das Sternchen in „Ärzt*innen“ erinnert uns daran, dass es Mediziner*innen jenseits dieser zwei Geschlechter gibt. Für uns ist das auch ein Ausdruck des Respekts.
Was meinen Sie?
Dieser Respekt wird für immer mehr Medien wichtig: Am 5. Januar 2020 machte Nachrichtensprecher Claus Kleber plötzlich eine kleine Pause zwischen „Expert“ und „innen“ – der gesprochene Genderstern erreichte das „heute journal“ im ZDF. Sternchen oder Doppelpunkte und Unterstriche in gleicher Funktion finden wir inzwischen auch in der Frankfurter Rundschau, in Werbung für ProSieben, auf der Homepage vom Deutschlandfunk, in Social-Media-Beiträgen der Tagesschau und, wenn auch nur vereinzelt, auf der Website des Spiegels. In dieser Situation als Hinz&Kunzt einen Rückzieher machen? Ich fände das schlimm.
Ja, es kann beim Lesen anstrengend sein, gerade wenn man dem Stern das erste Mal begegnet und plötzlich Jahrzehnte an Lesegewohnheiten über Bord werfen soll. Man muss sich ein bisschen Mühe geben: Gleichberechtigung gibt es nicht umsonst, auch in der Sprache nicht. Aber auch in der Redaktion müssen wir uns mehr Mühe geben, damit die Formulierungen nicht allzu holprig werden. Herausforderung angenommen! Es wird trotzdem Leser*innen geben, die deswegen keine Leser*innen mehr sein wollen – und das schmerzt. Aber es würde auch die geben, die keine Hinz&Kunzt mehr kaufen, wenn wir den Stern wieder abschafften. Die perfekte Lösung für alle gibt es nicht. Ich bin für die Variante, die sprachlich alle in ihrer Vielfalt einbindet und abbildet. Lasst uns den Stern umarmen!