Die Curious Community Labs bringen Menschen bei, sich mit Pilzen selbst zu versorgen. Dafür braucht man nicht viel mehr als einen Eimer.
Die Pilze haben Sommerpause. Nicht, weil gerade keine wachsen würden. „Sie fruchten immer genau dann, wenn man in den Urlaub geht“, sagt Matthias Cullmann und lacht. Er will keine Ernte verpassen, daher sind die weißen Plastikeimer, in denen sie sonst gedeihen, derzeit weitgehend leer. Das wird aber sicher nicht lange so bleiben.
Zu Besuch beim Verein Curious Community Labs: In Halle K4 eines ehemaligen Güterschuppens im Oberhafenquartier geht es eine Treppe hoch und hinein in einen bis zur Decke vollgestellten kleinen Raum. Hier stehen Hightech-Laborequipment wie Mikros-kop und Flüssigchromatograf neben Küchenutensilien wie Schnellkochtopf und Alufolie. Einen „Labormöglichkeitsraum“ nennt Vereinsmitglied Cullmann diesen Ort, den er in der Tradition von Hackerspaces wie dem Chaos Computer Club sieht – nur eben nicht für Technik, sondern für Natur. Man trifft sich, nutzt Maschinen und Geräte gemeinsam und erfindet im Hobby Naturprojekte oder -produkte, um sie mit der Allgemeinheit zu teilen – also ohne damit dickes Geld verdienen zu wollen. Ein Bildungsprojekt, das dabei entstanden ist, nennt sich „Stadtpilze“. Untertitel: Urbaner Pilzanbau für alle.
„Pilze spielen eine essenzielle Rolle im Ökosystem.“
Felix Schimmeyer
„Die Landwirtschaft muss sich verändern und zurück in die Städte verlagert werden“, findet Cullmann. Gut gelaunt fragt der 40-Jährige, der beruflich als Coach und Supervisor arbeitet, wo unsere Welt wohl hindriftet – angesichts der ökologischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Krisen unserer Zeit. Seine Schlussfolgerung: „Es ist total gut, wenn man sich selbst versorgen kann.“ Pilze würden sich dafür hervorragend eignen: Sie enthalten wenig Fett und Kalorien, dafür aber Vitamine, Mineralstoffe und viele Proteine. Vereinskollege Felix Schimmeyer geht weiter: „Pilze spielen eine essenzielle Rolle im Ökosystem. Sie können sogar Böden dekontaminieren und uns vielleicht auch dabei helfen, Ökosysteme zu regenerieren.“ Trotzdem stünden diese Lebewesen in Naturschutzvorhaben meist nicht im Mittelpunkt, so der 28-jährige OP-Pfleger, der sich als Pilzsachverständiger fortgebildet hat. Er sei über „die Kulinarik“ zu ihrem Fan geworden. Insofern hofft er, das Interesse für das Reich der Pilze über deren Anbau auch bei anderen wecken zu können.
Eine Methode des Pilzanbaus schien dafür besonders geeignet: in den weißen Plastikeimern, die in der Gastronomie zur Aufbewahrung von Lebensmitteln genutzt werden und normalerweise im Müll landen. Die passen auf jeden Balkon. Sie lassen sich perfekt verschließen, damit der Nährboden nicht austrocknet. Es lassen sich aber auch Löchlein in ihre Wände bohren, denn der Pilz braucht Luft zum Atmen. Diese Löcher sind später gleichzeitig die Ausgänge für die Fruchtkörper, die man am Ende ernten und essen will.
Welche Pilze für den Anbau im Eimer infrage kommen, ist klar: Zersetzer, die zum Beispiel von Totholz oder Streu leben. Also auch Austernpilze. „Die sind besonders anfängerfreundlich“, sagt Felix Schimmeyer. „Man schmeißt etwas zu essen hin, und sie nehmen das an. Und sie kommen auch mal mit Temperaturschwankungen klar.“ Mit welchem Essen das Myzel – also das Pilzgeflecht in der Erde oder im Nährboden – gut gedeiht, ist ebenfalls nur für den Laien erstaunlich: Man kann dafür Gastronomieabfall verwenden, nämlich Kaffeesatz oder Pappe. Nach der Ernte lässt sich all das kompostieren.
Diese Art des Pilzanbaus ist unter Pilznerds bekannt, aber die Laborkollegen haben sie in einem Handbuch leicht verständlich zusammengefasst, „von Anfang bis Ernte“, so Schimmeyer. Sogar wie sich Pilze klonen lassen, damit man die Pilzkultur nicht teuer bei Spezialhändlern kaufen muss, ist darin zu lesen, und schon kann die Selbstversorgung beginnen: „Aus einem Eimer kriegt man locker über ein Kilo Pilze raus“, sagt Matthias Cullmann. „Es gibt Organisationen, die auf diese Weise Austernpilze anbauen und verkaufen. Die machen das also kommerziell. Wir haben quasi deren Methode verpetzt“, sagt der Supervisor und grinst zufrieden. „Auf Abfällen Proteine anbauen, billig, in kürzester Zeit und ohne Platzbedarf – das ist einfach total geil.“