Clowns ohne Grenzen

„Lachen klingt auf der ganzen Welt gleich“

Schon häufig reisten die Clowns ohne Grenzen nach Rumänien. Foto: Clara Sachs

„Clowns ohne Grenzen“ spielen international für Kinder in Not. Ein Team aus Norddeutschland startet demnächst nach Tansania.

Hinz&Kunzt Randnotizen

Freitags informieren wir per Mail über die Nachrichten der Woche:

Kommen drei Clowns ins Flüchtlingscamp. Spielen vor Kindern, die nichts zu lachen haben. Jonglieren, stolpern, machen schräge Musik.

Hahaha. Soll das lustig sein? Ist jedenfalls kein Witz. Professionelle Clowns aus Deutschland reisen  regelmäßig zu Einsätzen im Ausland – ehrenamtlich. Sie haben dafür den Verein „Clowns ohne Grenzen“ gegründet, der Partnerorganisationen in 14 weiteren Ländern hat.

Drei Spaßmacher:innen aus Norddeutschland bereiten sich derzeit auf eine dreiwöchige Reise nach Tansania vor. Anfang März werden sie starten, mit roten Nasen, Schminke, Jonglierkeulen und ein paar weiteren Requisiten im Fluggepäck.

Mit dabei: Heiko Mielke, 64, aus Loose, einem kleinen Ort bei Eckernförde. Er ist Gründungsmitglied von Clowns ohne Grenzen, war als „Kassenclown“ im Vorstand. Für ihn ist es Reise Nummer 17. Er trat in Sri Lanka auf, in Jordanien, Mosambik oder Peru. Auch in Europa, etwa in Rumänien oder Albanien. Und 2014/15 auch in Flüchtlingsunterkünften in Deutschland.

Auftritt ohne Gage

Seit der Gründung von „Clowns ohne Grenzen“ 2007 fanden mehr als 80 Reisen statt. Dafür sammelt der gemeinnützige Verein Spenden. Das norddeutsche Team veranschlagt zum Beispiel für die Tansaniaunternehmung 2500 Euro pro Person – ausschließlich für Transfer, Unterkunft und Verpflegung. Eine Gage fließt nicht, die Clowns treten ehrenamtlich auf.

„Als Arzt wäre ich bei ‚Ärzte ohne Grenzen‘“, sagt der Zwei-Meter-Mann mit den wallenden Locken. „Aber ich bin eben Clown von Beruf.“ Geld verdient er als „Kapitän Flunker“ mit Piratenshows bundesweit. An Clowns-Schulen gibt er Fortbildungen zu Zauberei. Und mit seiner Partnerin ­betreibt er in Loose das Restaurant und Hotel „Lindenhof Chez Artistes“.

Dort hat er an einem grauen Freitag im Dezember kollegialen Besuch: von Carola Schure, 57, aus Greifswald und Andreas Gottschalk, 59, aus Lüssow. Sie arbeiten in Mecklenburg-Vorpommern hauptberuflich als Klinik-Clowns, unter den Namen Lolle und Pampelmusina. Mit Heiko Mielke waren sie 2018 in Kambodscha. Jetzt will das Trio für Tansania planen und proben.

Der Lindenhof hat Winterpause, der Saal ist vollge­stellt mit allerlei Mobiliar. Darunter Raumteiler und Dekoelemente aus dunkelbraunem Holz, die Mielkes Partnerin von einem indischen Restaurant übernommen hat. Vor dieser Kulisse klappt Carola einen Taschen-Schminkspiegel auf und malt sich die Wangen an. Andreas streift eine zu kleine rote Weste über, Hosenträger und Socken sind in der gleichen Farbe. Heiko zieht, wie immer, das dunkel gestreifte ­T-Shirt an („ich habe nichts anderes“). Schließlich rücken sie den Plastikball auf der Nase zurecht, „die kleinste Maske der Welt“, wie Andreas sagt.

Mit Kazoo, Mini-Banjo und Percussion ziehen die drei zu einer schrillen Version von „Alle meine Entchen“ auf die Bühne. „Das werden wir auf Kisuaheli einstudieren“, brüllt Heiko in die Musik. Ein Vorgänger-Team von Clowns ohne Grenzen, das 2018 in Tansania war, hat erzählt, wie Kinder damals mitsangen – sie kannten die Melodie. Die Figur des Clowns mit roter Nase ist zwar europäisch geprägt. Doch die lustige, naive, bisweilen provokative Person ist international. „Ich habe die gleichen Nummern in Asien, Nahost, Afrika und Südamerika gespielt – es funktioniert immer“, weiß Heiko. „Lachen hört sich überall auf der Welt gleich an.“

Im Lindenhof geht der Probelauf weiter. Die Clowns streiten sich um den Platz vorn an der Bühne. Sie klauen ­einander aus der Luft die Jonglierbälle weg, inszenieren ­Sticheleien und Schadenfreude, aber legen auch einen ­Walzer hin und geben schüchtern ein Luftballon-Herz ­weiter. ­Dabei wechseln sie fröhlich durch die Hierarchie, sodass jede:r mal als dummer August dasteht.

In Tansania wollen sie die 45-Minuten-Show zwei- bis dreimal täglich spielen: in Kinderheimen und Sozial­projekten, in Großstadt-Slums und auf Dorfplätzen, ­üblicherweise als Gast von NGOs vor Ort. Die Aufführung sei zwar für Kinder konzipiert, aber soll auch Erwachsene ­er­reichen, erklärt Heiko. „Es ist wichtig, dass Kinder auch ihre Eltern wieder lachen sehen.“ Er habe sich mal ge­wundert, warum ein Junge im Publikum mit dem Rücken zur Bühne saß. Nicht die Clowns faszinierten ihn in ­diesem Moment – sondern das Lachen seines Vaters in der Reihe hinter ihm.

Carola erzählt von vernachlässigten, verwahrlosten Kindern damals in Kambodscha. Sie, die bis dahin niemand hatte lachen sehen, amüsierten sich über die Clowns. „Wir können die Not nicht ändern“, sagt Carola. „Aber wir ­können für einen Moment den Zugang zur Freude eröffnen. Genau dafür machen wir diese Arbeit.“

Das wirkt nach, sagt Heiko: „Ich habe es in Sri Lanka ­erlebt: Du kommst nach zwei Jahren an denselben Ort, und die Kids spielen immer noch die Show nach.“ Oder wie es ein NGO-Mitarbeiter in Jordanien gegenüber schwedischen Clowns-Kollegen ausdrückte: „Bevor ihr hier wart, haben die Kinder Krieg gespielt, jetzt spielen sie Clowns.“

Artikel aus der Ausgabe:

Wovor habt ihr Angst?

Für unseren Humorschwerpunkt haben wir mit Atze Schröder darüber gesprochen, wie sich Comedy verändert hat – und wie er sich selbst weiterentwickelt hat. Zudem haben wir die Clowns ohne Grenzen besucht und mit einer Psychologin über die heilende Kraft von Humor gesprochen. Außerdem im Heft: In Harburg finden Drogenkranke seit mehr als 30 Jahren Hilfe. Doch die Sozialarbeiter:innen des Abrigado fühlen sich allein gelassen.

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Autor:in
Detlev Brockes

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