Kurswechsel gefordert :
Mietervereine stellen Volksinitiativen vor

Marc Meyer, Bernd Vetter, Gilbert Siegler und Paul-Hendrik Mann (v.l.n.r.) stellen ihre Pläne vor. Foto: Lukas Gilbert

Der Mieterverein zu Hamburg und Mieter helfen Mietern haben gemeinsam zwei Volksinitiativen vorgestellt. Ihr erklärtes Ziel: Langfristig bezahlbarer Wohnraum in Hamburg.

Hinz&Kunzt Randnotizen

Freitags informieren wir per Mail über die Nachrichten der Woche:

Der Konferenzsaal in der fünften Etage des Mietervereins zu Hamburg ist am Donnerstagvormittag prall gefüllt mit Journalist*innen. Und das Interesse kommt nicht von ungefähr. Denn das was der Verein, der  zusammen mit „Mieter helfen Mietern“ auf knapp 90.000 Mitglieder kommt, vorschlagen, würde die Hamburger Wohnungspolitik tatsächlich drastisch ändern.

Mit der ersten Volksinitiative wollen sie erreichen, dass städtische Flächen zukünftig generell nicht mehr privatisiert werden. Stattdessen sollen Flächen nur noch nach dem sogenannten Erbbaurecht vergeben werden. Das heißt: Die Stadt bleibt Eigentümerin des Grundstücks. „Über den Erbbauzins kann die Stadt dann soziale Zielsetzungen wie die Miethöhe steuern“, erläutert Paul-Hendrik Mann vom Mieterverein zu Hamburg.

„Wenn zukünftig Wohnungen gebaut werden, müssen sie immer preiswert sein.“– Marc Meyer, Mieter Helfen Mieter

Mit einer zweiten Volksinitiative soll erreicht werden, dass die Mieten auf städtischen Grundstücken dauerhaft günstig bleiben. Die konkrete Forderung: Die anfänglichen Neubaumieten auf städtischen Grundstücken dürfen nicht höher sein, als die Mietsätze im ersten Förderweg des sozialen Wohnungsbaus. Momentan sind das 6,60 Euro kalt. Mieterhöhungen sollen sich dann an der allgemeinen Preisentwicklung orientieren und höchstens zwei Prozent pro Jahr betragen. Marc Meyer von Mieter helfen Mietern: „Wenn zukünftig Wohnungen gebaut werden, müssen sie immer preiswert sein.“

Mit ihrem Vorschlag setzt sich die Volksinitiative damit deutlich vom bisherigen Modell des sozialen Wohnungsbaus ab. Öffentlich geförderte Wohnungen fallen nämlich nach einigen Jahren aus der Preisbindung. Die Folge in Hamburg: Obwohl kräftig gebaut wird, sinkt die Zahl der Sozialwohnungen. Während etwa im vergangenen Jahr 2466 geförderte Wohnungen gebaut wurden, fielen gleichzeitig 3118 Sozialwohnungen weg.

Eine Senatsantwort auf eine Anfrage der Linksfraktion zeigt außerdem, dass zwischen 2015 und Mitte 2019 insgesamt 585 städtische Grundstücke verkauft wurden. Gerade einmal 7 davon wurden nach Erbbaurecht vergeben. Aus einer anderen Antwort geht hervor, dass sowohl Genossenschaften, als auch die städtische SAGA bei Ausschreibungen meist leer ausgehen. Zwischen 2011 und 2018 gingen von 102 Konzeptausschreibungen gerade einmal 20 an Genossenschaften und SAGA. Die anderen 82 an private Investor*innen. Eigentlich sollen die Konzeptausschreibungen dazu führen, dass nicht das höchste Angebot, sondern das beste Konzept den Ausschlag gibt. Das ist offenbar nicht immer der Fall.

Unverständnis beim Finanzsenator

Finanzsenator Andreas Dressel zeigte auf Twitter kein Verständnis dafür, dass die Mietervereine „die soziale und breit abgestimmte Bodenpolitik von Finanzbehörde und Stadtentwicklungsbehörde mit klarer Vorfahrt fürs Erbbaurecht, die 2020 wirksam wird, nicht abwarten wollten.“

Erst kürzlich hatte der Hamburgische Senat nämlich beschlossen, mehr Grundstücke nach Erbbaurecht zu vergeben. Für Paul-Hendrik Mann nicht genug: „Unser Vorschlag geht weiter als der des Senats. Wir fordern, dass Grundstücke ausschließlich über das Erbbaurecht vergeben werden.“ Ausnahmen solle es nur bei einem besonderen öffentlichen Interesse geben. Zum Drittelmix, den das Hamburg Bündnis für das Wohnen, zu dem neben Senat und Wohnungswirtschaft auch der Mieterverein gehört, steht Paul-Hendrik Mann weiterhin: „aber bitte nur auf privaten Flächen“, schränkt er ein.

Für eine erfolgreiche Volksinitiative sind 10.000 Unterschriften nötig. Zum neuen Jahr soll damit begonnen werden, die zu sammeln. Gilbert Siegler, Initiator der Volksinitiativen, ist optimistisch: „Wir denken, dass wir die 10.000 Stimmen schnell zusammen bekommen.“ Sollte der Senat daraufhin nicht einlenken, wäre ein Volksbegehren nötig. Hierfür müssten Unterschriften von fünf Prozent der Hamburger Wahlberechtigten gesammelt werden. Eine deutlich größere Herausforderung. Doch Siegler ist sich sicher, dass das eigene Bündnis weiterwächst und dann auch diese Hürde genommen werden kann: „Wir gehen davon aus, dass sich viele Mieterinitiativen in unseren Forderungen wiederfinden und sich uns anschließen.“

Autor:in
Lukas Gilbert
Lukas Gilbert
Seit 2019 bei Hinz&Kunzt. Zunächst als Volontär, seit September 2021 als Redakteur.

Weitere Artikel zum Thema