Abzockvermieter verurteilt : Kuhlmann gesteht – und muss nicht in den Knast

Abzock-Vermieter Thorsten Kuhlmann bleibt eine Gefängnisstrafe erspart. Nach seinem Geständnis hat ihn das Landgericht wegen Betrugs beziehungsweise versuchten Betrugs in 103 Fällen zu 15 Monaten Haftstrafe auf Bewährung und einer Geldbuße verurteilt.

Kuhl2
Katzen würden auch weglaufen. So sah der Eingang zu den als Souterrain-Wohnung vermieteten Kellerräumen aus.

Abzock-Vermieter Thorsten Kuhlmann muss nicht ins Gefängnis. Wie erwartet hat das Landgericht Hamburg am Montag eine Bewährungsstrafe gegen den Abzock-Vermieter verhängt. Die Richter verurteilten Kuhlmann wegen Betrugs in 103 Fällen, darunter 86 Fälle versuchten Betrugs, zu 15 Monaten Haftstrafe auf Bewährung. Zudem muss er 22.000 Bußgeld an die Justizkasse zahlen. Weitere 25.000 Euro Geldbuße verhängten die Richter gegen seine Kuhlmann Grundstücks GmbH. Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidiger hatten sich vor zehn Tagen auf einen sogenannten Deal verständigt. Bedingung dafür war ein Geständnis des ehemaligen CDU-Politikers gewesen.

Vor fast sechs Jahren hatte Hinz&Kunzt erstmals das System Kuhlmann aufgedeckt. Thorsten Kuhlmann und seine Grundstücks GmbH hatten systematisch Quadratmeter an Hilfeempfänger vermietet, die es nicht gab – auf Kosten des Steuerzahlers. So waren manche Wohnungen auf dem Papier doppelt so groß wie in Wirklichkeit. Die Folge: Quadratmeterpreise von bis zu 14 Euro für Bruchbuden. Das Jobcenter hatte sich nach dem Hinz&Kunzt-Bericht zunächst für nicht zuständig erklärt. Erst als der öffentliche Druck durch die Medien immer mehr wuchs, entschloss das Amt sich zur Flucht nach vorne und stellte im März 2010 Strafanzeige.

Bei der Urteilsverkündung räumte die Vorsitzende Richterin Birgit Woitas ein: „Wir hatten ein klareres und umfassenderes Geständnis erwartet.“ Kuhlmann habe „ganz bewusst eine Situation ausgenutzt, und zwar nicht aus wirtschaftlicher Not, sondern aus Gier“. Er habe so nicht nur der öffentlichen Hand geschadet, sondern auch „den sozialschwachen Mietern“, deren Wohnungen deutlich kleiner gewesen seien als im Mietvertrag angegeben. Allerdings sei Kuhlmann von den Behörden „die Tatbegehung relativ leicht gemacht worden“. Denn „vernünftige Kontrollmechanismen lagen nicht vor“. Für Kuhlmann spreche, dass er „weitgehende Schadenswiedergutmachung“ geleistet habe und nicht vorbestraft sei. Zudem sei er durch lange Verfahrensdauer und Medienberichterstattung „erheblich belastet“ worden. Erneut verwies die Richterin darauf, dass das Verfahren durch den Deal „in erheblicher Weise verkürzt werden konnte“. Andernfalls, so Woitas, hätte der Prozess „noch zwei bis drei Jahre“ dauern können.

Kuhl3
Schwarze Sporen in allen Ecken. Das Bild zeigt einen Heizkörper im Schlafzimmer.

Ohne Geständnis hätte Kuhlmann eine Haftstrafe von bis zu fünf Jahren gedroht. Die Staatsanwaltschaft hatte bereits 2012 Anklage wegen gewerbsmäßigen Betrugs in 223 Fällen erhoben. Nach umfangreichen Nachermittlungen sah das Gericht jedoch nur noch bei 117 Fällen hinreichenden Tatverdacht. Grund dafür waren vor allem Aussagen von Jobcenter-Mitarbeitern: Nur jeder vierte Befragte erklärte bei der polizeilichen Vernehmung, er hätte die Übernahme der Mietkosten verweigert, wenn die tatsächliche Wohnungsgröße im Mietvertrag gestanden hätte. Die Mehrzahl der Behörden-Mitarbeiter sagte hingegen aus, das habe sie nicht interessiert, sie hätten nicht darauf geachtet oder sie hätten die Übernahme der Mietkosten dennoch bewilligt.

Thorsten Kuhlmann muss den Betrug dennoch recht teuer bezahlen. Nachdem Schadensersatz-Verhandlungen zwischen der Sozialbehörde und dem Vermieter ohne Ergebnis geblieben waren, verklagte das Jobcenter Kuhlmann 2012 vor verschiedenen Amtsgerichten auf Rückzahlung zuviel gezahlter Mieten in 218 Fällen. 670.000 Euro forderte die Behörde von dem Vermieter zurück, rund 335.000 Euro musste Kuhlmann nach Urteilen in Zivilprozessen überweisen. Mehr als insgesamt 450.000 Euro wird das Jobcenter aber wohl nicht von ihm bekommen. Verantwortlich dafür ist ein Urteil des Hamburger Landgerichts. Danach dürfen zuviel gezahlte Mieten für Kellerwohnungen nur dann zurückgefordert werden, wenn ein Amt die Nutzung als Wohnraum ausdrücklich untersagt hat. Da Kuhlmann viele Keller als Wohnungen vermietete – was die Ämter in der Regel nicht wussten – geht es hier laut des Anwalts des Jobcenters Tobias Beckmann um gut 200.000 Euro. Nach seinen Angaben sind drei der 13 Zivilverfahren noch nicht abgeschlossen.

Dass der Strafprozess nun mit einem Deal endet, stößt beim Mieterverein zu Hamburg auf Kritik: „Aus meiner Sicht ist das kein Fall für eine Bewährungsstrafe“, so Geschäftsführer Siegmund Chychla gegenüber Hinz&Kunzt. „Im Strafrecht spricht man von extrem großer krimineller Energie, wenn jemand die Schwächsten der Schwachen ausnutzt und den Steuerzahler betrügt.“ Die angeklagten Fälle seien nur „die Spitze des Eisbergs“. Und: „Es war ja nicht so, dass Kuhlmann das System beim ersten Hinweis geändert hat. Der hat bis zuletzt abkassiert.“ Zudem müsse der Staat angesichts der großen Wohnungsnot in Hamburg „mögliche Nachahmer abschrecken“, so Chychla: „Die Gefahr, dass schwarze Schafe dem Goldrausch verfallen, ist derzeit groß. Für solche Menschen ist eine Bewährungsstrafe das falsche Signal.“

Thorsten Kuhlmann dürfte zufrieden aus dem Gericht gegangen sein. Wie viele Wohnungen der Immobilienbesitzer heute noch an Hilfeempfänger vermietet, ist nicht bekannt. Kuhlmann wollte Nachfragen von Hinz&Kunzt erneut nicht beantworten, das Jobcenter erklärte, es gebe dazu „keine statistische Erhebung“.

Text: Ulrich Jonas
Fotos: Mauricio Bustamante