Der Staat darf alleinstehenden Asylsuchenden in „Sammelunterkünften“ die Sozialleistungen nicht länger pauschal um zehn Prozent kürzen. Das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden. Der Beschluss gilt für manche Betroffene auch rückwirkend.
Ein Hilfesatz von nur 330 Euro im Monat verstößt gegen das Grundgesetz: Das hat das Bundesverfassungsgericht in einem am Donnerstag bekanntgegebenen Beschluss entschieden. Damit erklärt das höchste deutsche Gericht die 2019 von Union und SPD eingeführte „Sonderbedarfsstufe“ für verfassungswidrig. Mit dieser hatte die damalige Bundesregierung die Sozialleistungen für alleinstehende Asylsuchende in sogenannten Sammelunterkünften gekürzt. Begründung: Sie könnten gemeinsam einkaufen und kochen, weshalb Einsparungen „erwartet werden“ dürften.
„Es ist nicht erkennbar, dass in den Sammelunterkünften regelmäßig tatsächlich Einsparungen durch gemeinsames Wirtschaften erzielt werden oder erzielt werden können, die eine Absenkung der Leistungen um 10 Prozent tragen würden“, begründet das Bundesverfassungsgericht seine Entscheidung. Deshalb verstoße die Regelung gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Andere alleinstehende Asylsuchende bekommen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz derzeit 367 Euro im Monat – eine Summe, die ab sofort auch jenen Alleinstehenden zusteht, die in Unterkünften leben. Zum Vergleich: Der Regelsatz für alleinstehende Hartz-4-Empfänger:innen liegt bei 449 Euro.
Auch Betroffene, deren Bescheide für die Zeit ab September 2019 noch nicht bestandskräftig sind, haben rückwirkend Anspruch auf mehr Geld, so die Richter:innen. Das ist dann der Fall, wenn jemand Widerspruch eingelegt oder geklagt hat. Hilfsorganisationen wie Pro Asyl kritisieren die gekürzten Regelsätze für Asylsuchende grundsätzlich als „diskriminierend“ und fordern die Abschaffung dieser Praxis.