Drei Krankenkassen steigen aus der Finanzierung des Billstedter Gesundheitskiosk aus – obwohl es als Vorzeigeprojekt gilt. Die Grünen vermuten, dass die Kassen damit Druck ausüben wollen.
Gerade erst war der Gesundheitsminister in Billstedt, um den Gesundheitskiosk dort über den grünen Klee zu loben. „In Deutschland darf weder der Geldbeutel noch der Wohnort über die Behandlung von Patientinnen und Patienten entscheiden. Gesundheitskioske können dabei einen entscheidenden Unterschied machen“, sagte Karl Lauterbach (SPD) im August nach einem Besuch im Osten Hamburgs. Er kündigte eine Gesetzesinitiative an: 1000 neue Gesundheitskioske, die insbesondere in armen Stadtteilen Beratungen zu Gesundheitsthemen anbieten, sollen im Land entstehen. Bezahlen sollen das zum Großteil die Krankenkassen.
Ausgerechnet die wollen jetzt aus dem Hamburger Vorzeigeprojekt aussteigen: Die Kassen Barmer, DAK und TK erklärten, den Billstedter Gesundheitskiosk ab dem kommenden Jahr nicht weiter finanzieren zu wollen. „Die Beratungsleistungen des Kiosks stehen in keinem Verhältnis zu der hohen finanziellen Aufwendung der Krankenkassen“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung vom Donnerstag. Für einige Beratungsleistungen seien die Kassen auch gar nicht zuständig – berücksichtigt wird bei den Terminen im Kiosk nämlich nicht nur die gesundheitliche, sondern auch die soziale Situation der Menschen. Angesichts der „prekären Finanzentwicklung“ der Krankenkassen sei eine weitere Finanzierung nicht mehr zu rechtfertigen.
In Folge der Coronapandemie fahren die Kassen derzeit Rekorddefizite ein. Am Freitag stellte Gesundheitsminister Lauterbach im Bundestag ein Konzept vor, mit dem er das Loch stopfen will. Sein Plan sieht unter anderem vor, dass sie sich selbst daran beteiligen und einen Solidarbeitrag in Höhe von vier Milliarden Euro aus ihren Reserven beisteuern sollen. Uneinigkeit zwischen den Kassen und seinem Ministerium besteht auch bezüglich der geplanten Finanzierung der geplanten weiteren Gesundheitskioske.
Die Grünen in der Hamburger Bürgerschaft vermuten deshalb, dass die Krankenkassen mit ihrer Entscheidung Druck auf den Minister ausüben wollen. „Es darf aber auf keinen Fall sein, dass eine solche Auseinandersetzung auf dem Rücken der Hamburger Bürger:innen ausgetragen wird“, sagte der Fraktionssprecher für Pflege und Gesundheitsförderung, Linus Görg.
Auch die SPD kritisierte die Entscheidung der Krankenkassen. „Wir fordern, dass die Kassen ihre Argumentation noch einmal überdenken“, sagte die gesundheitspolitische Fraktionssprecherin, Claudia Loss. „Gute Präventionsangebote vor Ort in Form von lokalen Gesundheitskiosken oder -zentren werden langfristig dazu beitragen, die Krankenkassen zu entlasten.“