Im Koalitionsvertrag von Union und SPD haben die Sozialdemokraten mit der Rente mit 63, Mindestlohn und Mietenbremse wichtige Forderungen durchgesetzt. Sozialverbände begrüßen den Vertrag prinzipiell – fordern aber, dass den Worten Taten folgen müssen.
Die größten Neuerungen des ausgehandelten Koalitionsvertrages zwischen CDU, CSU und SPD betreffen den Arbeitsmarkt: Deutschland bekommt einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro. Flächendeckend gilt die Regelung allerdings erst ab 2017. Außerdem wird Leiharbeit stärker reguliert. Zeitarbeiter dürfen höchstens 18 Monate an einen Betrieb verliehen werden. Spätestens nach neun Monaten sollen Leiharbeiter genauso viel verdienen wie die Stammbelegschaft.
Das vor wenigen Wochen präsentierte „Paket für bezahlbares Bauen und Wohnen“ ist in den Koalitionsverhandlungen deutlich zusammengeschrumpft. Immerhin: Künftig müssen Vermieter den Makler bezahlen, wenn sie ihn beauftragen. Und bei Neuvermietungen darf der Preis maximal zehn Prozent über dem Mietenspiegel liegen. Die Mietpreisbremse light gilt allerdings nicht für bereits überhöhte Mieten. Sie müssen bei Neuvermietungen nicht abgesenkt werden.
Diakonie: „Großes Versprechen für den Ausbau des Sozialstaates“
Das Diakonische Werk begrüßt den Koalitionsvertrag. „Wir sehen darin ein großes Versprechen für den Ausbau des Sozialstaates. Nun müssen den Worten aber auch Taten folgen“, sagt Diakonie-Präsident Johannes Stockmeier. Die Vereinbarung biete gute Chancen für die Ausgestaltung der Sozialpolitik. Der evangelische Wohlfahrtsverband wolle mit seinen Fachverbänden Vorschläge für die konkrete Umsetzung einbringen. Besonders dürfte die Diakonie die Einigung auf die Lebensleistungsrente freuen. Diese entspricht zwar nicht der von der Diakonie geforderten Mindestrente in Höhe von 850 Euro für alle Rentner – kommt ihr aber nahe. „Geringverdienende Erwerbstätige sind die armen Rentner von morgen – dieses Problem müssen wir heute lösen“, sagte dazu Maria Loheide, Vorstand Sozialpolitik der Diakonie Deutschland bereits im Oktober. Anlass waren neue Daten des Statistischen Bundesamtes, nach denen heute mit 465.000 Menschen fast doppelt so viele Rentner auf ergänzende Sozialleistungen angewiesen sind wie noch vor zehn Jahren.
Als positiv bewertet die Diakonie Hamburg die Passi zur Pflege im Koalitionsvertrag. „Die vereinbarten Weichenstellungen sind für die Pflege in Hamburg grundsätzlich richtig“, sagt kommentiert Stefan Rehm, zuständiger Vorstand im Diakonischen Werk Hamburg.“ Grundsätzlich seien dagegen die zum Teil sehr vagen Formulierungen im Koalitionsvertrag: So soll beispielsweise die ambulante Pflege bei der Finanzierung durch die Pflegeversicherung der stationären Pflege gleichgestellt werden. „Das kann sowohl eine Erhöhung der Zuschüsse für ambulante Pflege bedeuten wie eine Absenkung für die stationäre Pflege,“ so Rehm.
Caritas: „Regierung muss nachbessern“
Dass die künftige Regierung nachbessern muss, fordert hingegen die Caritas – und zwar in den Bereichen „Pflege, Rente und Armutsbekämpfung“. So sei die „solidarische Lebensleistungsrente“ eine wichtige Neuerung, um Menschen im Alter abzusichern. „Die Voraussetzungen sind für viele Menschen jedoch zu hoch“, kritisiert Caritas-Präsident Peter Neher. Die Koalition müsse auch Lösungen für die Menschen finden, die Brüche in ihrer Erwerbsbiographie haben. Unverständlich sei, dass das Thema Armut von Familien und Kindern im Koalitionsvertrag nicht vorkomet. Familien, in denen Eltern arbeiten, die aber dennoch auf staatliche Transferleistungen angewiesen sind, sollten durch eine einkommensabhängige Kindergrundsicherung unterstützt werden, so Neher.
„Ein Werkstück, das sich in der Praxis erst noch härten muss“, nennt der Sozialverband Hamburg den Koalitionsvertrag. „Es ist bezeichnend, dass die drei zentralen Ideen des Koalitionsvertrages so heißen: solide Finanzen, Sicherung des Wohlstands, soziale Sicherheit. Die solide Finanzierung der sozialen Gerechtigkeit für die ohne Wohlstand, lässt sich immerhin erahnen“, sagt Klaus Wicher, Landesvorsitzender des SoVD Hamburg. Schade sei insbesondere, „dass der Mindestlohn nicht sofort für alle kommen wird, sondern es Übergangsfristen gibt, die die Menschen direkt im Portemonnaie spüren.“
Ob der Koalitionsvertrag tatsächlich in Kraft tritt, ist noch offen. Die SPD macht ihre Zustimmung von einer Rückmeldung der eigenen Basis abhängig: Bis zum 12. Dezember können die Parteimitglieder über den Koalitionsvertrag abstimmen. Am 17. Dezember könnte dann im Bundestag eine neue Regierung gewählt werden.
Text: BEB, JOF
Foto: Action Press /Miriam May