Kolumnist Benjamin Buchholz sorgt sich um die Folgen von Mikroplastik in seiner Gartenerde. Leider sind seine Sorgen nicht unberechtigt …
Ich mag sehr, dass es in unserer noch recht jungen Gartenkolonie inzwischen Rituale gibt. Die große Kompost-Sammelbestellung für die Hochbeete im Frühjahr ist eines davon. Ein Lkw kippt Dutzende Kubikmeter Erde auf den Parkplatz, und wir buckeln sie schubkarrenweise auf unsere Parzellen. Doch leider kommen mit dem Laster nicht nur nährstoffhaltiges Substrat in den Garten, sondern immer auch viele bunte Fitzelchen Plastik.
Da kann man nichts machen, erklärt dazu die Hamburger Stadtreinigung, die im Kompostwerk „Bützberg“ aus unser aller Biomüll „zertifizierten Qualitätskompost“ herstellt. Obstaufkleber, Kaffeekapseln und sogenanntes Bioplastik (das nicht wirklich Bio ist) ließen sich nicht restlos herausfiltern: „Je kleiner diese Fremdstoffe sind, desto schwieriger lassen sich diese vom Kompost trennen.“
Während ich also erfolglos versuche, alle Plastikreste händisch herauszusortieren, komme ich ins Grübeln. Bei genauer Betrachtung habe ich in meinem ach so naturnahen Garten eine ganze Menge Plastik verbaut. Die Noppenfolie, die mein Hochbeet vor Verrottung schützen soll? Plastik! Schneckenkragen, Regentonne, Bewässerungsschläuche? Plastik! Und zwischen den Wurzeln vom Gemüse also auch noch jede Menge Reste von Verpackungsmüll aus dem Kompostwerk.
Die Frage ist: Was passiert dort damit? Mikroplastik ist inzwischen in Muttermilch und im Stuhlgang von Neugeborenen nachgewiesen worden; vergifte ich mit den selbst angebauten Tomaten etwa meine Familie? In meiner aufkommenden Verzweiflung wende ich mich an die Landschaftsökologin Elke Fischer. Sie leitet an der Uni Hamburg die Arbeitsgruppe „Microplastic Research“ und wird hoffentlich Entwarnung geben – oder?
Immerhin, was die Plastikstücke in meiner Komposterde angeht: Alles Plastik, das mit bloßem Auge zu erkennen ist, kann weder von Pflanzen noch vom menschlichen Körper aufgenommen werden, erklärt sie. Und ist das Plastik erst mal unter der Erde, bleibt es auch für sehr lange Zeit in dieser Größe.
Doch es gibt einen Haken: Anders sieht es nämlich mit dem Plastik aus, das dem Sonnenlicht ausgesetzt ist. Es zersetzt sich zügig und landet so im Boden – der wahrscheinlich eh schon voll mit unsichtbarem Mikroplastik aus Luft und Wasser ist. Dort wird es wohl auch von meinem Gemüse absorbiert – jedenfalls findet Expertin Fischer das „hochgradig wahrscheinlich“. Was es dann in unseren Körpern anrichtet, ist bislang kaum erforscht, aber diskutiert werden unter anderem Krebserkrankungen, die davon begünstigt werden könnten.
Die gute Nachricht ist: Mein Gartengemüse ist trotzdem noch vergleichsweise gesund. Denn in der Landwirtschaft wird laut der Forscherin noch viel mehr Plastik eingesetzt und etwa mikroplastikhaltiger Klärschlamm als Dünger ausgebracht. Schaufeln gibt es auch mit Holzgriffen, Eimer aus Metall, Folien aus Zellulose und Gartenhandschuhe aus Naturkautschuk. Und meinen Kompost mache ich ab jetzt selbst – garantiert ohne Kaffeekapseln.