Soziologe Sighard Neckel schreibt in seiner Kolumne über den Preis, den das Klima für Fast Fashion zahlt.
Seit einigen Jahren werben Modekonzerne damit, abgelegte Kleidung entgegenzunehmen, um sie zu recyceln oder einer Wiederverwendung zuzuführen. Betritt man etwa die Filialen eines schwedischen Outfit-Riesen in der Hamburger Innenstadt, finden sich dort Recycling-Boxen für getragene Kleidung. Dafür erhält die Kundin einen Gutschein, den sie beim nächsten Einkauf einlösen kann. „Let’s close the loop!“ nennt die Firma ihre Aktion, die an die Prinzipien der ökologischen Kreislaufwirtschaft erinnert: Langlebigkeit, Rücknahme und Wiederverwertung. Ist das nicht eine gute Idee, die nun endlich auch von der Textilindustrie aufgegriffen wurde?
Investigative Journalist:innen wollten es genau wissen und haben Peilsender in die Kleidungsstücke vernäht, die sie in die Recycling-Boxen warfen. Danach erhielten sie Signale von Mülldeponien und aus Küstenstädten in Ghana, wo sich an den Stränden Berge von Altkleidern türmen und Textilschwemmen im Meer landen.
Pro Kopf und Jahr werden in Deutschland durchschnittlich 18 Kilogramm Kleidung gekauft. Da deren Nutzungsdauer insbesondere in den vergangenen zwei Jahrzehnten erheblich abgenommen hat, werden 60 Prozent davon innerhalb eines Jahres entsorgt. Nur 1 Prozent wird recycelt, fast 90 Prozent werden verbrannt, so auch die meisten Klamotten aus den Recycling-Boxen. Die „Loop“-Aktion von Modelabels zäumt das Pferd vom falschen Ende her auf: Das eigentliche Problem ist die massive Überproduktion der Textilien selbst, die sich durch Gutscheine für neue Bekleidung noch zusätzliche Nachfrage schafft.
Vorneweg sind hierbei die Fast-Fashion-Firmen, die inzwischen auch Ultra-Fast-Fashion-Ableger haben, seit ein spanischer und ein chinesischer Modekonzern die Marktmacht in der Branche übernahmen. Bis zu 24 neue Kollektionen tauchen pro Jahr in den Geschäften als preisgünstige Massenware auf und werden genauso schnell wieder in Abfall verwandelt. Der ökologische Schaden ist enorm.
10 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen (ca. 1,2 Milliarden Tonnen) entstehen bei der Herstellung von Kleidung und Schuhen – mehr als durch internationalen Flugverkehr und Schifffahrt zusammen. Der Anbau von Baumwolle erfordert große Wassermengen (20 Badewannen für ein einziges T-Shirt) und trocknet dadurch die Böden aus. Bei der Herstellung sind Pestizide und Düngemittel ein Problem, da sie in das Abwasser gelangen, aus dem sie nur schwer zu reinigen sind. Und chemische Fasern wie Polyester oder Elastan sind für bis zu 400 Tonnen Mikroplastik verantwortlich, die in Deutschland Jahr für Jahr freigesetzt werden.
Nicht zu reden von den fehlenden sozialen Standards bei der Textilproduktion in Ländern wie Pakistan, Bangladesch, China, der Türkei oder Vietnam, aus denen 90 Prozent der hierzulande gekauften Bekleidung stammen. Die Löhne liegen meist unter zwei Euro am Tag, bei Arbeitsbedingungen, die oft unzumutbar sind. Der (Ultra-)Fast-Fashion-Trend mit seinen immer schnelleren Zyklen und der Billigkultur trägt dazu bei, diese Ausbeutung am Leben zu halten.
Auch Recycling-Boxen machen aus den Outfit-Riesen keine Öko-Engel. Aber wir selbst können etwas tun: weniger kaufen, mehr reparieren und die Coolness von Slow Fashion entdecken.