In Pakistans größter Stadt Karatschi starben 289 Menschen bei einem Brand in einer Textilfabrik. Auch der Billigladen KiK ließ hier Jeans nähen. Wie geht der Konzern mit den verheerenden Folgen des Brands um und welche Konsequenzen zieht er für die Zukunft? Hinz&Kunzt hat bei Sprecher Dr. Michael Arretz, Mitglied der Geschäftsleitung, nachgefragt.
Hinz&Kunzt: 289 Menschen sind in der Fabrik in Karachi gestorben. Was hat KiK inzwischen unternommen, damit sich derartige Vorfälle nicht wiederholen können? KiK und anderen Unternehmen wird vorgeworfen, dass sie sich nicht selbst ein Bild über die realen Arbeitsbedingungen vor Ort machen – oder dass es ihnen egal ist.
KiK: Lassen Sie mich zur Beantwortung der ersten Frage feststellen, dass eine Katastrophe dieses Ausmaßes nur möglich ist, wenn an mehreren Stellen fatale Fehler gemacht worden sind. Dies reicht von Fehlverhalten derjenigen, die die Türen verschlossen hatten, über die Feuerwehr, die zu spät an der Brandstelle eintraf, bis hin zu den Behörden, die ihrer Aufsichtspflicht nicht nachgekommen sind. Endgültige Schlüsse können wir jedoch nicht ziehen, bevor der Fall nicht juristisch aufgearbeitet worden ist. Dabei kann der immer noch ausstehende Regierungsbericht nur der Anfang sein. Wir befürworten die juristische Aufarbeitung – auch in einem internationalen Rahmen – zur Aufklärung. Wir hoffen, dass wir an diesem Punkt Klarheit gewinnen über die Verantwortung aller Beteiligten. Jede Produktionsstätte, in der Waren für KiK gefertigt werden, wird grundsätzlich auf die Einhaltung sozialer und arbeitsrechtlicher Mindeststandards geprüft. Im besten Fall funktioniert ein sogenanntes Audit wie der TÜV. Im Rahmen einer Momentaufnahme werden der aktuelle Zustand einer Produktionsstätte festgestellt und mögliche Mängel dokumentiert. Diese müssen dann schnellstmöglich im Rahmen eines Verbesserungsprozesses abgestellt werden. Diese Momentaufnahme ist aber nur sinnvoll, wenn sie mit einem Entwicklungsprozess verbunden ist. Bei Ali Enterprise wurden regelmäßig Audits durchgeführt. Für die Bearbeitung der festgestellten Mängel werden Korrekturpläne erstellt. Seine Umsetzung wurde durch die Agentur vor Ort überprüft. Die Agentur ist unser Statthalter in den Ländern, in denen wir nicht mit einer eigenen Service Unit vor Ort sind. Die Agentur war regelmäßig bei Ali in der Produktion. Augenscheinliche Mängel wurden bei diesen Besuchen vor Ort nicht angezeigt.
H&K: Wie erklären Sie sich, dass die Gutachten nicht den Realitäten entsprachen und welche Schlussfolgerungen ziehen Sie daraus?
KiK: Die Augenscheinnahme durch die Agentur ist im vorliegenden Fall eine eindeutige Schwachstelle. Auf dem pakistanischen Markt haben wir – anders als in Bangladesch – keine eigene Service Unit, sondern hier nehmen die Mitarbeiter der Agentur die Besuchspflichten bei den Lieferanten wahr. Wenn die Zustände in der Fabrik derartig nachlässig waren, dann hat die Agentur hier nicht sorgfältig gearbeitet. Dies ist eindeutig ein Fehler. Ali Enterprise hat uns auf schmerzliche Weise gezeigt, dass wir uns nur auf das verlassen können, was wir mit eigenen Augen gesehen haben. Wir werden daher zukünftig unser System anpassen.
H&K: Hat der Brand und andere ähnliche Vorkommnisse Auswirkungen auf das konkrete Geschäftsverhalten von KiK?
KiK: Analog der bisherigen Systematik werden wir weiterhin Audits machen. Das heißt Bestandsaufnahme für das Abprüfen technischer Aspekte, baulicher Gegebenheiten, Einhaltung von Arbeitszeiten, Personalerfassung etc. Das wesentlich und qualitativ Neue wird sein, dass wir unseren Fokus bei dem darauf folgenden Entwicklungsprozess auf die Einbeziehung der Arbeiterinnen und Arbeiter legen. Durch deren erweiterte Einbindung durch Interviews, Workshops und Trainings soll ein institutionalisierter Dialogprozess gestartet werden. Darüber hinaus prüfen wir im Fall von Ali Enterprises, ob eine juristische Auseinandersetzung mit den Auditergebnissen des beauftragten Zertifizierungsunternehmens UL zielführend ist und behalten uns vor, die Ergebnisse in einem entsprechenden Verfahren zu prüfen.
H&K: War Herr Dr. Arretz oder ein Mitglied der Geschäftsleitung persönlich in Karachi und bei den Familien?
KiK: Als Mitglied der Geschäftsführung war Dr. Arretz in den letzten Wochen mehrmals in Pakistan vor Ort und hat sich mit der Nichtregierungsorganisation PILER zu Gesprächen getroffen, um das gemeinsame Vorgehen zu planen. Weitere Treffen sind geplant.
H&K: Hat es finanzielle Hilfen für die Angehörigen gegeben und wenn ja wieviel?
KiK: Es ist uns in den zurückliegenden Wochen nach dem Brand gelungen, einen Verbund nationaler Partner zu formieren, die für die gerechte und angemessene Verteilung der Gelder zur Verfügung stehen. Die von uns zur Verfügung gestellte Soforthilfe ist für diejenigen Familien vorgesehen, die aktuell noch keine Entschädigung von den pakistanischen Behörden bekommen haben. Für diese Soforthilfe stehen 1.000.000 US Dollar zur Verfügung, von denen bereits 250.000 US Dollar in Pakistan zur Verteilung bereit stehen. Diese Maßnahmen werden ergänzt um langfristig wirkende Hilfe für die betroffenen Familien. Zusätzlich hierzu wird auch das Thema Brand- und Feuerschutz in der Textilindustrie intensiv aufgenommen. Hierfür wird aktuell ein Programm erarbeitet. Die Gesamthöhe der Zuwendungen beläuft sich aktuell auf 1,25 Millionen US Dollar.