Obdachlose in der City brauchen Orte, an denen sie sich aufhalten können, ohne zu stören und ohne gestört zu werden. Können Trinkerräume wie im Harburger Hans-Fitze-Haus eine Lösung sein?
(aus Hinz&Kunzt 261/November 2014)
Hinter dem Hans-Fitze-Haus ist es laut. Durch eine dünne Hecke schallt der Lärm von der viel befahrenen Buxtehuder Straße hinüber in den Garten. Wobei der Begriff „Garten“ für das bisschen Grün ein wenig zu hoch gegriffen erscheint. „Hier ist noch viel zu tun“, räumt Olaf Bohn ein. Seit Mitte August leitet der 45-Jährige das neue „Zentrum zur sozialen Integration suchtgefährdeter Menschen“. Es ist Hamburgs erster Trinkerraum. „Ich versuche allerdings, den Begriff zu vermeiden“, sagt Olaf Bohn. „Wir nennen das Projekt lieber Freizeittreff.“
Dass wir den Freizeittreff in Harburg jetzt gerade besuchen, hat einen Grund: In der zweiten Sendung von Hinz&Kunzt-TV dreht sich alles um die Obdachlosen in der City, dass sie keine Treffpunkte haben und dass sich viele Passanten und Geschäftsleute gestört fühlen, wenn sie sich vor Saturn am Hauptbahnhof oder sonst wo niederlassen, Darüber wollen wir unter anderem mit Bezirksamtsleiter Andy Grote und einem Vertreter der Geschäftsleute diskutieren und nach Lösungsansätzen suchen. Im zweiten Teil der Sendung stellen wir dann zwei Trinkerräume vor, einer davon ist der in Harburg, der andere ist in Dortmund. Bislang taten wir uns mit einem solchen Projekt beispielsweise am Hauptbahnhof schwer. Unsere Befürchtung war, dass zu viele Menschen mit völlig unterschiedlichen Problemen aufeinanderprallen.
Aber zurück zu Olaf Bohn und seinem Freizeittreff. Jahrelang stand das Hans-Fitze-Haus leer und verfiel. „Der Vorteil ist, dass wir jede Menge Jobs rund ums Haus an die Gäste vergeben können“, so Bohn. Seine Gäste, das sind Alkoholiker und andere Drogenkonsumenten. Zuvor war ein Container an der Knoopstraße ihre Heimat. Jetzt will die Saga GWG auf dem städtischen Gelände Wohnungen bauen. „Noch versammeln sich viele am alten Treffpunkt“, sagt Rolf S.. „Aber das wird sich ändern, wenn es draußen kälter wird.“ Rothe muss es wissen. Jahrelang leitete er zusammen mit anderen den selbstverwalteten Container. Jetzt bringt er sich im Hans-Fitze-Haus ein.
Während Bohn durch die Räume führt, bleibt Rolf S. im Keller. Dort entsteht eine Art Partyraum. Rolf bastelt am Tresen. Auf einem Sofa daneben sitzen weitere Gäste, die Bier trinken. „Wir werden aber keinen Alkohol ausschenken“, sagt Rolf. Getränke müsse jeder mitbringen. „Es soll gemütlich werden, damit sich alle wohlfühlen.“
Für die Arbeit erhält Rolf S. eine kleine Aufwandsentschädigung. Vergeben wird die Arbeit über eine Tagesjob-Börse im Hans-Fitze-Haus. Aus Sicht von Bohn ein großer Fortschritt. Bis vor Kurzem arbeitete er als Straßensozialarbeiter für das Projekt ZuArbeit in Harburg. Ziel sei es gewesen, Alkohol- und Drogenkonsumenten durch „arbeitsmarktpolitische Maßnahmen“ zu stabilisieren. „Das hat leider nicht funktioniert“, so Bohn. Ein-Euro-Jobs seien für abhängige Personen ungeeignet. „Die haben fitte Phasen und nüchterne Momente, in denen sie motiviert sind. Aber schon bald sind sie überfordert oder kommen jedes Mal zu spät.“ Hauptsächlich sei er damit beschäftigt gewesen, die durch das Jobcenter verhängten Sanktionen wieder rückgängig zu machen.
Mit der Tagesjobbörse soll alles besser werden. „Es ist wichtig, dass die Leute auch gleich den Erfolg sehen“, sagt Bohn. „Nach dem Motto: Ich bin fit und am Ende des Tages erhalte ich mein Geld.“ Auf dem regulären Arbeitsmarkt konnte er allerdings kaum Klienten unterbringen. „Jemanden nur für ein, zwei Tage zu beschäftigen und zu versichern, ist aufwendig.“ In dieser Angelegenheit erhofft er sich mehr Hilfe von politischer Seite.
Solange sich nichts ändert, wird Bohn weiter Aufträge im Hans-Fitze-Haus vergeben. Schon jetzt sei der Zulauf gut. Gerade mittags kommen mehr als 20 Menschen für eine kostengünstige Mahlzeit. „Ich gehe davon aus, dass sich trotzdem auf dem Harburger Rathausmarkt weiterhin Trinker versammeln“, so Bohn. „Wir sind keine Alternative, sondern eine Ergänzung.“ Damit wird er wohl richtigliegen. Um Obdachlosen zu helfen, braucht Hamburg weitere Angebote, vor allem aber warme und geschützte Aufenthaltsräume.
Text: Jonas Füllner
Foto: Mauricio Bustamante