Neue Runde im Ringen um den Strassenfeger: Während der Vorstand noch nach Möglichkeiten zum Neuanfang sucht, ist die erste Ausgabe eines neuen Berliner Straßenmagazins bereits erschienen.
Für Berliner Obdachlose und die ehemaligen Verkäufer des eingestellten Straßenmagazins Strassenfeger gibt es neue Hoffnung. „Wir haben einen Hilferuf der Verkäufer erhalten und deswegen gehandelt“, sagt Jörg Richert von der Berliner Sozialgenossenschaft Karuna im Gespräch mit Hinz&Kunzt.
Vergangene Woche präsentierten er und sein Team das neue Straßenmagazin: den Karuna Kompass. Nicht, wie ursprünglich angedacht, als Nachfolger des Strassenfegers, sondern als ein eigenes Projekt.
Zu den ersten Käufern des neuen Straßenmagazins gehörte Berlins Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Die Linke). Mit der Aktion solle symbolisch die Lücke geschlossen werden, die durch die Einstellung des Strassenfegers entstanden ist, sagte Karuna-Geschäftsführer Richert bei der Präsentation.
Der Träger des Strassenfegers hatte Mitte Juni beschlossen, die Zeitung nach 24 Jahren (vorerst) einzustellen. „Eine Rettung des Projektes ist unter den derzeit desolaten Strukturen und der personellen Situation im Verein nicht möglich“, teilte der Vorstand mit. Karuna hatte zuvor angeboten, mit dem Strassenfeger zu kooperieren und Verkäufer zu übernehmen. Eine Zusammenarbeit scheiterte jedoch. Es gehe um mehr als um die Zeitung, hieß es aus dem Strassenfeger-Vorstand.
Karuna-Kompass: das neue Berliner Straßenmagazin
Nun gibt es mit dem Karuna-Kompass also ein weiteres Straßenmagazin in Berlin. Um die Phase bis zum Druck der ersten regulären Ausgabe zu überbrücken, schenkte die Genossenschaft den Obdachlosen ein Sonderexemplar, das ehemalige Straßenkinder bereits im vergangenen Jahr erstellt hatten. Sie sind jetzt auch die Macher der neuen Zeitung, deren Finanzierung über Zuwendungen von Stiftungen und zusätzliche Werbeerlöse abgesichert werden soll.
Das Heft wird für 1,50 Euro angeboten, wobei 100 Prozent des Erlöses an den Verkäufer gehen. Die Karuna-Macher verschenken die Zeitung also an die Verkäufer. Dieser Ansatz findet nicht nur Freunde. „Dass ich als Verkäufer die Zeitung im Zweifel einfach wegwerfen kann, dient nicht dazu, dass ich mich strukturiere“, bemängelt Volker Macke, Sprecher der deutschsprachigen Straßenzeitungen. „Das hat ein bisschen was von verlängertem Betteln.“
Karuna-Sprecher Jörg Richert entgegnet, dass der Gewinn für die Verkäufer bei mindestens 1,50 Euro liegen soll. Noch sei unklar, ob die Kosten der Produktion tatsächlich gedeckt seien oder ob die Zeitung eventuell auch mehr als 1,50 Euro kosten wird und somit die Verkäufer die Zeitung erwerben müssten, um am Ende einen Teil der Einnahmen behalten zu können.
Mehr als eine Zeitung
Hinz&Kunzt sowie alle anderen deutschen und internationalen Straßenzeitungen im Verband INSP setzen auf das Prinzip Hilfe zur Selbsthilfe: Die Verkäufer erstehen die Magazine in der Regel für die Hälfte des Verkaufspreises und können die andere Hälfte als Gewinn behalten. So wird sichergestellt, dass sie nicht auf die Position von Bittstellern reduziert werden. „Die Verkäufer kommen zu uns auch als Kunden. Sie haben das Recht, sich zu beschweren, wenn die Zeitung schlecht ist“, sagt Hinz&Kunzt-Sozialarbeiter Stephan Karrenbauer. „Dadurch verhandeln wir auf Augenhöhe.“
Der Zeitungsverkauf ist zudem bei den meisten Straßenzeitungsinitiativen nur ein Teil des Projekts, hinzu kommt etwa die Beratung durch Sozialarbeiter, die Vermittlung in Arbeitsprojekte und Unterstützung bei der Wohnungssuche oder rechtlichen Problemen.
Und wie geht es in Berlin weiter? Der Vorstand des Strassenfegers traf sich vergangenen Freitag mit Staatssekretär Alexander Fischer und sowie dem Paritätischen Wohlfahrtsverband. „Die Zukunft des Straßenfegers liegt nicht in unserer Hand“, teilt Staatssekretär Fischer mit. Eine Kofinanzierung scheide aus, weil es in Berlin mit der motz eine weitere Straßenzeitung gibt.
Gleichwohl sei die Senatsverwaltung daran interessiert, in der ehemaligen Tagesaufenthaltsstätte des Vereins eine Notübernachtung für wohnungslose Familien zu realisieren. Der Trägerverein wird zeitnah einen Antrag zur Finanzierung der Einrichtung stellen, um Fördermittel aus dem Integrierten Sozialprogramm erhalten zu können, teilt die Senatsverwaltung gegenüber Hinz&Kunzt mit.