Dirk Bielefeldt ist kaum bekannt. Seine Kunstfigur, der leicht verwirrte Polizist „Herr Holm“, dafür umso mehr. In Bielefeldts neuem Programm ist Holm im modernen Polizeidienst angekommen. Mit Skype, Powerpoint und Internet.
(aus Hinz&Kunzt 241/März 2013)
Manchmal merkt man es ihm kurz an: Wenn Dirk Bielefeldt mit dem Kopf ruckelt, wenn er aufspringt, um etwas zu holen, und er dann mit weit ausholenden, eiligen Schritten durch den Raum läuft. Dann bekommt man eine Ahnung, wie schnell er sich in den Kabarettpolizisten Herr Holm verwandeln kann.
Dirk Bielefeldt sagt: „Privat bin ich gar nicht so lustig, da bin ich mehr der introvertierte Typ.“ Er sagt: „Wenn ich als Holm in meiner Uniform auf die Bühne komme, da erst mal krummbeinig auf und ab gehe und nichts sage, ist das natürlich komisch. Aber das trägt ja keine 90 Minuten.“
Also, der Herr Holm. Der Herr Holm meint es nicht böse. Er will vor allem Verständnis wecken für die Polizei. Nur manchmal, da bricht halt das blanke Chaos aus ihm heraus: „Es gibt eine Nummer, da will Holm Kindern mithilfe eines Brettspieles die polizeiliche Arbeit nahebringen, aber das Spiel ist megabrutal, plötzlich fliegen Ziegelsteine ins Pu-blikum, dann zündet Holm auch noch eine Bombe und die Leute denken: ‚Das ist doch jetzt kein Theater mehr!‘ Aber das ist alles ganz ungefährlich für die Zuschauer.“ Dirk Bielefeldt sagt: „Holm ist keinesfalls der Oberspießer, über den man sich schnell lustig macht. Er ist immer wieder sehr anarchisch; er ist so frech, wie man selbst gerne wäre – aber sich dann doch nicht traut.“
Dirk Bielefeldt wächst in Groß Borstel auf, wohnt lange in Eppendorf. Er studiert Soziologie und Philosophie, belegt eines Tages einen Theaterworkshop, um mal was ganz anderes zu machen. Was er dort erlebt, gefällt ihm. Es gefällt ihm sogar sehr: „Das hatte ich noch nicht erlebt – mal so auf der Bühne stehen. Da ist eine Tür aufgegangen und durch die bin ich durch.“ Auf Anraten seines Kursleiters geht er nach Paris, besucht dort von 1981 auf 82 eine Schauspielschule, taucht auch in die örtliche Straßentheaterszene ein: „Und ich hab noch mal gemerkt, dass mir das liegt – und auch, dass ich es kann.“ Dabei hatte er vorher nie ernsthaft die Idee, Schauspieler werden zu wollen.
Zurück in Hamburg schaut er sich in der hiesigen Theaterszene um, tritt mal in einer Gruppe auf, mal als Duo. Einmal sind sie als Pinguine auf Stadt- und Straßenfesten unterwegs: „Das war sehr süß, das war sehr beliebt, das hat sich auch sehr verkauft, aber nach zwei Jahren merkte ich, das ist nicht das, was ich auf Dauer machen will.“ Und langsam schält sich die Figur des Herrn Holm heraus: „Am Anfang war der noch kein Polizist. Wir waren zu zweit, Herr und Frau Holm, ich schon mit dicker Brille, abgewetzter Aktentasche und in kurzer Hose, wo man sich fragte: ‚Sind das nun Schauspieler oder sind die wirklich so?‘ Es gibt ja solche Leute …“ Und aus den Holms wird 1991 schließlich der Solopolizist Herr Holm.
Der Anfang ist nicht einfach: Mehrmals wird er vorläufig festgenommen, ist doch das Tragen von Polizeiuniformen in der Öffentlichkeit verboten: „Das war immer sehr lästig, denn meistens hatte mich der Veranstalter für mehrere Auftritte gebucht, und ich musste mir dann auf die Schnelle etwas anderes einfallen lassen.“ Dass er schließlich die Straße als Bühne verlässt und zum Theater findet, hat auch seine Ursache in der nachlassenden Kulturförderung von freien Theatergruppen und besonders von Straßenkunst: „Es war damals nicht üppig, aber man konnte davon leben. Heute ist ein Straßenfest meistens nur Kirmes. Eine Bierbude steht neben der nächsten, alle beschallen die Leute und du sollst da dein Publikum finden …“ Dirk Bielefeldt winkt ab. Nervig sei das.
Nun – in seinem neuen Programm – ist Herr Holm in der Informationsgesellschaft angekommen: Er führt auf der Bühne die neuesten Überwachungskameras vor, er versucht sich an einer Pow-erpointpräsentation, er schaltet sich via Skype live zu einem Polizeipsychologen. „Holm ist ja immer auch Ratgeber; er will zeigen: Wenn man in diesem hochkomplexen, modernen Leben nicht zurechtkommt, ist man gefährdet oder man gefährdet andere!“ Doch Holm bleibt auch jetzt Herr Holm: „Er tut gern auf dicke, er erklärt alles – aber man merkt schnell, so richtig hat er es auch nicht drauf.“
Seine Programme werden sorgsam erarbeitet, mit seinem Regisseur hockt er seit Tagen zusammen. Gut, dass ihm das Werkeln liegt, das Puzzeln, das Frickeln. „Wenn ich zu Hause ein Bild aufhängen will, ist das eine schöne Gelegenheit, eine Woche lang die Zeit in Baumärkten zu verbringen und zu überlegen, welche Bohrmaschine ich wohl dafür brauche.“ Entsprechend hat er in seinem Haus in Blankenese im Keller seinen Probenraum, entwirft dort sein Bühnenbild – und baut es hier auch. Überall lagern Hölzer in verschiedenen Längen und Stärken in den Regalen: „Ich kann nichts wegschmeißen.“ Das Handwerkliche bezieht sich schließlich genauso auf seine Auftritte: „Eine Idee für einen Sketch zu haben, das ist das eine, und wir haben in den letzten Tagen auch viel gelacht. Aber wenn du dann in die Feinheiten gehst, merkst du, dass es auf jedes Wort ankommt und dann beginnt erst die eigentliche Arbeit.“ Er lehnt sich zufrieden zurück, schweigt einen kurzen Moment, sagt dann: „Ich bin eine Rampensau. Ich will da vorne stehen. Ich will, dass ihr lacht, das ist mein Ehrgeiz und darum kümmere ich mich auch.“
St. Pauli Theater, „Alle Achtung – Das Polizeistudio live“, Premiere: Di, 19.3., 20 Uhr; weitere Termine: Mi–Sa, 20.3.–23.3., jeweils 20 Uhr, So, 24.3., 19 Uhr, Eintritt: 15,90 – 35,90 Euro
Text: Frank Keil
Foto: Daniel Cramer