Mandy S. verkauft Hinz&Kunzt am Einkaufszentrum Barmbeker Straße in Winterhude. Seit eineinhalb Jahren lebt sie in einer städtischen Wohnunterkunft.
(aus Hinz&Kunzt 210/August 2010)
Wo soll sie jetzt bloß hin? Mandy hat kein Geld und keine Ahnung, wo sie die nächste Nacht verbringen soll. Es ist Januar, nass und bitterkalt. Diesen Tag wird Mandy als den Tiefpunkt ihres Lebens in Erinnerung behalten. „Das waren Gefühle, die kann ich gar nicht beschreiben“, sagt die Hinz&Künztlerin. Doch sie weiß: In diese Lage hat sie sich selbst gebracht.
„Ich war naiv“, sagt die 31-Jährige. Bis Dezember 2008 teilte sie sich in einem Dorf bei Bremen mit ihrer Freundin Monica eine Wohnung. Mandy war der Liebe wegen nach Norddeutschland gezogen, hatte einen Job in der Firma, in der ihr Freund arbeitete. Als die Beziehung zerbrach, verlor Mandy ihren Job und war auf Hartz IV angewiesen. Dem Amt aber war die Wohnung der Frauen zu teuer. „Wir wollten ausziehen, bevor wir rausfliegen“, sagt Mandy, „und dachten: Warum nicht nach Hamburg?“ Aus ihrer Heimat Berlin war sie es gewohnt, dass die Wohnungssuche in einer Großstadt kein Problem ist.
Dass es in der Hansestadt nahezu unmöglich ist, innerhalb von wenigen Tagen eine Wohnung zu mieten, merkten Mandy und Monica schnell. Nur für zwei oder drei Nächte wollten die beiden Freundinnen sich in einer Unterkunft für Montagearbeiter einmieten. Aber bevor eine eigene Wohnung auch nur in Sicht war, waren sie pleite und saßen auf der Straße.
Ihnen blieb nur der Weg zur Bahnhofsmission. Dort würde Obdachlosen geholfen, hieß es. Obdachlosen! Mandy schüttelt heftig den Kopf: „Da habe ich mich nie dazugezählt.“ Fast eine Stunde dauerte es, bevor Mandy und Monica sich reintrauten und sagten: „Wir wissen nicht, wohin.“ Sie wurden zur Notunterkunft Sportallee in Groß-Borstel gefahren. „Die erste Nacht habe ich gar nicht geschlafen“, sagt Mandy. Zu beängstigend waren die fremden Geräusche in dem weitläufigen Gebäude, in dem 200 andere mit ihr die Nacht verbrachten. „Ich dachte die ganze Zeit: Du gehörst hier nicht hin.“
18 Monate später lebt Mandy immer noch in der Sportallee. Sie liest täglich Immobilieninserate, war schon bei Dutzenden Wohnungsbesichtigungen. Eine Chance, sich als Mieterin zu bewähren, hat sie bisher nicht bekommen. Mandy glaubt, das liegt an ihrer aktuellen Meldeadresse in der Unterkunft.
Es fällt der jungen Frau schwer, sich zu denen zu zählen, die kein Zuhause haben, die sich beim Amt in die Schlange Hilfebedürftiger einreihen und die Hinz&Kunzt verkaufen, um über die Runden zu kommen. Damit sie bald nicht mehr dazugehört, will Mandy dringend einen Job und unbedingt eine Wohnung finden: „Ich habe mich selbst in die Situation gebracht, jetzt muss ich auch wieder da rauskommen.“
H&K: Wie möchtest du in fünf Jahren leben?
Mandy: Ich möchte verheiratet sein. Davon träumt doch jedes Mädchen, oder?
H&K: Wer oder was imponiert dir?
Mandy: Sigi aus dem Hinz&Kunzt-Vertrieb, weil er so geduldig mit den Verkäufern umgeht.
H&K: Was macht dich traurig?
Mandy: Dass eine reiche Stadt wie Hamburg es nicht schafft, dass jeder eine Wohnung finden kann.
Text: Beatrice Blank
Foto: Mauricio Bustamante