Sie wollte nie Tierärztin werden und liest gerne, während im Ofen ein Braten schmort: Nefeli Kavouras schreibt in Hinz&Kunzt eine neue Literaturkolumne.
Ein Sonntagmorgen auf St. Pauli, ein Café in einer Seitenstraße der Reeperbahn. Die einen sind noch wach, die anderen früh aufgestanden. Getränke werden gereicht, Impfpässe kontrolliert. Und zwischendrin Nefeli Kavouras mit ihrem leuchtend roten Schalenkoffer. Gleich fährt sie nach Berlin, ein paar Tage ausspannen. Überhaupt: Hamburg – Berlin, später wieder Berlin – Hamburg, eine Strecke von normalerweise etwas mehr als anderthalb Stunden, das sei die optimale Länge, um sich in ein Buch zu vertiefen. Um – zu lesen.
Von diesem Monat an bereichert sie Hinz&Kunzt mit einer Literatur-Kolumne. Die erste, zugegeben naheliegende Idee dazu hatte sie ausgeschlagen: ein aktuelles Buch zu besprechen. Denn sie sieht sich nicht als Kritikerin: „Ich möchte mich nicht hinstellen und sagen: ‚Ich erkläre euch die Welt und die Literatur, weil ich mit meinen 25 Jahren schon alles kapiert habe.‘“ Das könnten andere besser. Sie lächelt: „Ich bin auch eher meinungsschwach.“ Weil: Ist nicht die Position des Anderen genauso spannend wie die eigene? „Das macht, dass meine Meinung selten nur in eine Richtung geht“, sagt sie.
Und sie entwickelte eine andere Idee, die ihrem Temperament weit mehr entspricht: „Ich treffe und interviewe Hamburger Autoren und Autorinnen und trinke mit ihnen ein Getränk ihrer Wahl.“ Dabei rede man über Literatur, vielleicht über eine Neuerscheinung, über ein Projekt, das einen beschäftige oder von dem man träume; über den Ort, wo man sich trifft, oder auch über das Getränk, das vor einem steht. Sie lacht: „Ich hoffe, niemand nimmt Schnaps!“
„Ich fand bereits als Kind, dass Lesen ein toller Zufluchtsort war“– Nefeli Kavouras
Aufgewachsen ist sie in Bamberg. Und gelesen hat sie schon immer: „Ich fand bereits als Kind, dass Lesen ein toller Zufluchtsort war, wo man auch komplett in Ruhe gelassen wurde. Ich fand auch Geschichten immer toll.“ Okay, das sei jetzt nicht sehr originell, räumt sie ein. Doch bei ihr war noch etwas anderes anders: Sie weiß von Anfang an, dass sie beruflich etwas mit Literatur machen möchte. Sei es als Autorin, sei es als Verlagsfrau. „Ich hatte keinen Plan B., ich wollte nie Tierärztin oder so was werden“, sagt sie. „Ich dachte früh: ‚Wie krass ist denn der Beruf des Autors oder der Autorin – man darf sich einfach Geschichten ausdenken.‘“
Also verlässt sie nach der Schule ihre fränkische Heimat und kommt nach Hamburg. Taucht schnell ein in die hiesige Literaturszene: „Ich habe in Lüneburg Kulturwissenschaften studiert, aber ich habe das mehr so nebenbei gemacht: Das, was ich über Literatur gelernt habe, habe ich aus der Praxis.“ Und Praxis hat sie reichlich: Sie gehört zum Team der mehrsprachigen Veranstaltungsreihe ‚Hafenlesung‘, sie hat mit dem Schriftsteller Anselm Neft mit „Lax-Brunch“ einen monatlichen Literatur-Podcast. Und nicht zuletzt arbeitet sie als Verlagsassistentin beim Mairisch-Verlag in Hamburg-Eimsbüttel.
„Ich brauche das Schreiben genauso wie das Lesen“
So switcht sie zwischen dem eigenen Schreiben und dem Lesen, um andere Autor:innen nach vorne zu bringen, um sich auszukennen: „Ich brauche das Schreiben genauso wie das Lesen; meine Gedanken sortieren und aufzuschreiben und dann die Gedanken anderer Menschen zu lesen und mich davon berühren zu lassen, das geht für mich Hand in Hand.“ Wobei da immer noch die Frage nach dem Geld ist, das man zum Leben brauche. „Ich bin seit diesem Jahr selbstständig und habe zuletzt gar nicht geschrieben, sondern viele Veranstaltungen und Literaturprojekte gemacht, weil ich mich anders nicht hätte finanzieren können“, erzählt sie. Nun aber hat sie sich für einen Schwung an Literaturpreisen und Stipendien beworben. Ihr Ziel ist ein finanzieller Puffer, um sagen zu können: Nun kann ich ein paar Monate nur eine Sache machen und hauptsächlich schreiben.
„Ich verstehe alle Menschen, die nicht gerne lesen“, kommt sie noch mal auf das Lesen zurück: „Ich finde Lesen sehr anstrengend, so gerne ich selbst lese.“ Weil man sich so konzentrieren muss. Weil Lesen uns so ganz verlangt. Auch weil: kein Multitasking. „Man kann super einen Film gucken, und wenn man sich langweilt, spielt man ein Handyspiel“, sagt sie. Und lacht: „Manchmal denke ich: ‚Ach, wenn ich doch jetzt beim Lesen noch was anderes machen könnte!‘“ Geht aber eben nicht: „Lesen ist absolut monothematisch.“ Wobei, da gäbe es einen sehr speziellen Lebensmoment, wo das Lesen gleichzeitig da sei und sich zurückziehe, und sie legt den Löffel auf die Untertasse zurück: „Wenn ich was schmore, einen Braten, wenn ich immer mal wieder aufstehe, um was umzurühren – dann dabei zu lesen, das ist super.“ Und sagt abschließend: „Ich mag es, in der Küche zu sitzen und zu lesen und die ganze Küche riecht nach Essen und ich weiß: ‚Wenn das Essen fertig ist, höre ich auf zu lesen‘.“